Vampirglaube & magia posthuma / Part 4
Hans Richard Brittnacher (Berlin): Blutmagie
Seinen beseelenden Impuls erhalt das vampirische Dasein durch das Blut – weniger Nahrung als Elixier ist das Blut jener besondere Saft, dessen extrem ambivalente Kodierung Voraussetzung für die ästhetisch so ungeheuer erfolgreiche Polyvalenz der Vampirimago ist.
Von der jüdischen Blutmagie bis zur Folklore des süditalienischen Aberglaubens, vom Opferglauben bis zur Vergeltungspraxis erstrecken sich die rituellen und kultischen Kontexte, in denen das Blut mal als Lebenselixier, mal als Opferblut, mal als kriegerisches Tonikum metaphorisiert wird. Gemeinsam sind den unterschiedlichsten Blutkonzepten geschlechtsspezifische Differenzen, die zu gegensätzlichen Bewertungen von Vorgängen wie Geburt, Opfer und Blutvergießen führen: Einem eher männlich kodierten »Tötungsblut« steht in der Kulturgeschichte ein eher weiblich kodiertes »Wandlungsblut« entgegen. Während das männliche Konzept des Blutens metaphorisch an Mortifikation, Gewalt, Sühne und Opfer gebunden ist, geht die Vorstellung eines weiblichen Blutes mit Bildern der Vitalisierung, Fertilisierung, der Regression, der Fülle und der Lebensmitteilung einher.
Es ist nun eine Besonderheit der Vampirimago, so die These, die mein Beitrag ausarbeiten wird, dass die männliche und weibliche Dimension des Blutes hier ineinander spielen: Der Vampir tötet und spendet zugleich ewiges Leben. Die an sich unvereinbaren Konzepte von Zeugung und Verschwendung, von Mortifikation und Vitalisierung gehen im Vampirismus eine Symbiose ein, die erst die einzigartige ästhetische Strapazierfähigkeit der Vampirimago zu erklären vermag.
Hans Richard Brittnacher (Berlin): The Magic of Blood
The existence of the vampire is defined by blood. Blood is less food rather than the elixir of life. Therefore, the ambivalent code »blood« has brought the aesthetically enormous success of the polyvalent figure of the Vampire. Blood’s relevance in ritual and culture reaches from Jewish magic of blood to Southern Italian superstition, from the sacrifice to the blood feud; it is a metaphor for the elixir of life, on the one hand, for the blood of a victim, and for the tonic of war, on the other. All these concepts have sexual and gender differences in common, which bring about the unequal evaluation of birth, sacrifice, and bloodshed: in the history of culture the male »bloodshed« is opposed to the female »blood of metamorphosis«. While the male concept refers to mortification, violence, expiation, and sacrifice, the female concept lies within the spectre of abundance, fertilization, processes of life, and regression.
My hypothesis is that the image of the vampire associates both concepts: the vampire kills and gives eternal life, at the same time. The antipodal concepts of insemination and dissipation, mortification and fertilization are symbiotic in this case. On this basis, the image of the vampire has gained its aesthetic impact.
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