Konfliktszenarien um 1900: politisch - sozial - kulturell
[ Call for Papers ]
Call for Papers für die 2. Tagung des Projekts "Freund oder Feind? Multiethnische Staatsgebilde im Vergleich. Die Österreich-Ungarische Monarchie und das russische Zarenreich um 1900" zum Thema "Konfliktszenarien um 1900: politisch - sozial - kulturell", die am 25.-26. September 2008 an der Karl-Franzens-Universität Graz stattfinden wird.
Die Zeit um 1900 war überall in Europa, vor allem aber in Russland und in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie von der Erwartung des Wandels geprägt. Wie die Begriffe "Fin de siècle", "Dekadenz", "Krise", "Verfall" etc. andeuten, wurde die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert von den Zeitgenossen oft apokalyptisch konzipiert. Die allgemeine Erwartung von Veränderungen beförderte jedoch auch große prospektive Entwürfe, die entweder in den verschiedenen Bereichen von Gesellschaft und Kultur Niederschlag fanden, bloß Projekte blieben oder in stark modifizierter Form "Geschichte machten". Den kognitiven Hintergrund für die damaligen Befürchtungen und Erwartungen an die Zukunft bildeten alternative Szenarien, die meist ihre Grundlage in der Lebenswelt hatten.
Die zweite Tagung des zwischen der RGGU Moskau und der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz etablierten Projekts soll einige dieser Vorstellungen von der näheren oder ferneren Zukunft thematisieren, die zur Jahrhundertwende denk- oder handlungsanleitend waren. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf der Verbindung der unterschiedlichen Zukunftsvisionen mit den historisch gegebenen Realitäten und Umwelten in Österreich-Ungarn und Russland liegen. Wie haben diese die damaligen Vorstellungen von zukünftigen Entwicklungen und Konflikten beeinflusst, was verbindet die Topoi der soziopolitischen Diskussion mit den Utopien und Dystopien der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg?
Insofern Konfliktszenarien gewissermaßen einen Übergang von Wirklichkeit(en) und Fiktion(en), von Realität und Ideal bilden, sind für die Tagung sowohl historiographische wie auch literatur- und kunst- bzw. kulturhistorische Analysen von einschlägigen Konfliktszenarien erbeten, die in Russland bzw. Österreich-Ungarn um die Jahrhundertwende entstanden sind und politische oder kulturell-technische Konstellationen imaginierten. Die Rückbindung an die soziokulturellen Gegebenheiten der beiden Imperien soll gleichzeitig auch den Vergleich der Szenarien ermöglichen: worin bestehen ihre Unterschiede, können dafür Gründe in den kulturhistorischen Gegebenheiten in Österreich-Ungarn und Russland gefunden werden? Welche Modelle sind in den Zentren der Imperien entstanden, welche können in den geographischen oder kulturellen Peripherien der Imperien verortet werden?
Mögliche Analysefelder der Tagung können mit folgenden Stichworten umrissen werden:
- Realpolitische und diplomatische Szenarien von internationalen Allianzen und Konflikten auf staatlicher Ebene
- kulturelle und politische Verbindungen (Austromarxismus, Austroslawismus, Panslawismus)
- Politische und geschichtsphilosophische Modelle von Mensch und Gesellschaft (z.B. dialektischer Materialismus, Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus, Faschismus, Totalitarismus, Zionismus als Projekte)
- Staats- und rechtstheoretische Konzeptionen als Korrekturen bestehender Ordnungen
- Wissenschaftsgeschichtliche Paradigmenwechsel als Konfliktszenarien
- Religiöse und esoterische Szenarien (Apokalypsen, Sekten und religiöse Organisationen in den Imperien)
- Technische Utopien und Dystopien
- Geschlechterverhältnisse und Ideen zu ihrer Veränderung
- Sprachpolitik und Sprachplanung (z.B. hinsichtlich „natürlicher“ Sprachen auf den Territorien der beiden Imperien bzw. hinsichtlich künstlicher Sprachen wie derjenigen des jüdisch-polnischen „Doktoro Esperanto“ Ludwik Zamenhof)
- Künstlerische und literarische Thematisierungen diverser Konfliktszenarien, die Spezifik ihrer ästhetischen Rahmungen
Abstracts im Umfang von ca. 20-40 Zeilen zu diesen oder vergleichbaren Themenkreisen bitte bis zum 30. April 2008 an eine der beiden Adressen schicken:
peter.deutschmann@uni-graz.at
volker.munz@uni-graz.at
Die Beiträge können in Deutsch, Englisch oder Russisch gehalten sein.
Aus organisatorischen Gründen behalten sich die Veranstalter die Möglichkeit einer Auswahl aus den eingesandten Abstracts vor.
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