Musik und Politik Graz

posted by Katalin Teller on 2009/11/06 17:53

[ Vortrag | Lecture ]

Eine spannende Vortragsreihe u.d.T. Musik und Politik in Graz erwartet alle Interessierten. Die Vortragsreihe wird gemeinsam vom Forum politische Bildung Steiermark und dem Institut für Musikwissenschaft der Karl Franzens-Universität veranstaltet. Alle Vorträge beginnen um 19:00 Uhr und finden im Hörsaal 06.03 (C) der Karl Franzens-Universität Graz (Universitätsplatz 6, Erdgeschoß) statt.

Programm ab November:

Dienstag, 17. November 2009
Prof. Mag. phil. Helmut Reichenauer (Präsident des Museumsvereins Johann Strauss in Wien): Walzerklang und Revolution. Zum kulturpolitischen Stellenwert der Wiener Tanzmusik im Vormärz
Ausgehend vom Phänomen des "1. Walzerkönigs" Johann Strauss Vater, der auch als "musikalischer Magier des Wiener Biedermeier" bezeichnet wird, soll die Wechselwirkung zwischen musikalischer Unterhaltungskultur und sozialpolitischem Hintergrund anhand prägnanter musikalischer Beispiele erläutert werden. Zahlreiche Bild- und Tonbeispiele werden diesen Vortrag illustrieren.

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Dienstag, 1. Dezember 2009
Univ.-Prof. Dr. Michael Walter (Universität Graz, Institut für Musikwissenschaft): Musik im Nationalsozialismus und Stalinismus
Die Diktaturen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versuchten alle, sich der Musik als Massensuggestionsmittel zu bedienen. Sowohl Goebbesl als auch Stalin mußten allerdings erfahren, daß dies nicht immer problemlos war. So konnten weder das nationalsozialistische Regime noch das stalinistische auf den Jazz verzichten, obwohl dieser ideologisch verpönt war. Auch innerhalb der führenden Politiker gab es Differenzen über die Musikpolitik. So versuchte etwa Baldur von Schirach in Wien eine gegen Goebbels gerichtete Musikpolitik zu betreiben. Die nationalsozialistische Musikpolitik war keineswegs einheitlich und nicht immer erfolgreich während die Musikpolitik des Stalinismus zwar zentralisierter gelenkt wurde, aber dennoch in Widersprüche führte. Es sollen darum gerade die Widersprüchlichkeiten innerhalb zentral-diktatorisch gelenkter Musikpolitik herausgearbeitet werden.

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Dienstag, 12. Januar 2010
Univ.-Prof. Dr. Anselm Gerhard (Universität Bern, Institut für Musikwissenschaft): Signale der Revolution? Oper und Politik im 19. Jahrhundert
Der Gefangenenchor aus Verdis Nabucco (1842) wurde von den Zeitgenossen als Hymne der italienischen Revolution verstanden, der Aufstand, der 1830 zur belgischen Unabhängigkeit führte, von einer Opernaufführung ausgelöst. Einer gründlichen historischen Prüfung halten solche liebgewonnenen Bilder nicht stand. Zwar haben Opernaufführungen im Italien der 1840er und 1850er Jahre in der Tat patriotische Kundgebungen provoziert, wobei allerdings Bellinis Norma weit häufiger genannt wird als Verdi. Dabei kann man hier wie in anderen Nationalkulturen des 19. Jahrhunderts (und nicht zuletzt am Beispiel Richard Wagners) deutlich erkennen, daß ein revolutionär, patriotisch oder gar zionistisch gestimmtes Publikum in Opernmusik eine
Verstärkung eigener Gefühle suchte und sich dabei kaum um die Kontexte und die argumentative Logik der jeweiligen Operntexte kümmerte.

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Dienstag, 2. Februar 2010
Univ.-Prof. Dr. Dietrich Helms (Universität Osnabrück, Fachgebiet Musik und Musikwissenschaft): "Sag mir, wo die Protestsongs sind." Populäre Musik und Politik im 21. Jahrhundert
Es ist sicherlich nicht vermessen anzunehmen, dass der 11. September 2001 einer zukünftigen Geschichtsschreibung als Epochenzäsur zum 21. Jahrhundert dienen wird. Die Musikgeschichte hat dieses Datum - trotz aller spontan geäußerten Befürchtungen, dass nichts bleibe, wie es einmal war - nicht geändert. Allerdings haben die Ereignisse um und nach "9/11" vielen deutlich gemacht, dass bereits in den Jahren zuvor grundlegende Veränderungen in der Populären Musik stattgefunden haben müssen. Angesichts von Kriegstreiberei und schließlich von nur fadenscheinig begründeten Feldzügen, angesichts von Beschränkungen der Meinungsfreiheit und der Unterdrückung kritischer Stimmen nicht nur im "Land of the Free", angesichts einer - allerdings nur kurzlebigen - Protestbewegung gegen die Kriege in Afghanistan und dem Irak wurde in den Medien gefragt, wo denn die neuen Protestsongs blieben, warum die Musiker nicht ihre Stimme erhöben. In der Tat hat es Hunderte von Songs gegeben, die auf die Ereignisse nach dem 11. September reagierten. Der Vortrag diskutiert die Diskrepanz zwischen der Produktion von Songs mit politischen Texten und der öffentlichen Wahrnehmung
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Dienstag, 23. Februar 2010
Univ.-Prof. Dr. Britta Sweers (Universität Bern, Institut für Musikwissenschaft): Musik im gegenwärtigen Rechtsextremismus
Musik spielt eine wichtige Rolle in den Unternehmungen der Neonazi Gruppierungen, die sich zunehmend auch an ein jüngeres Zielpublikum wenden. Bekanntestes Beispiel aus Deutschland ist die sogenannte "Schulhof-CD", die u.a. 2006 zu den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern kostenlos an Jugendliche verteilt wurde. Doch wie soll dieser (legalen) Musik und illegalen Produktionen - gerade auch im Klassenraum - begegnet werden? Diese und weitere Fragen sollen anhand des Polyphonie der Kulturen-Projekts diskutiert werden, das als Antwort auf rechtsextreme Anschläge gegen Migranten in Rostock in Zusammenarbeit der HMT Rostock mit der Bürgerinitiative "Bunt statt braun, e.V." entwickelt wurde.

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Dienstag, 23. März 2010
Dr. Stefan Schmidl (Akademie der Wissenschaften, Wien): "Glaube an mich"
Musik und Politik in der österreichischen Nachkriegszeit

Eine musikalische Kunst, die der deutschen "Trümmerliteratur" entsprochen hätte, findet sich in Österreich nicht: Ganz dem zeitgenössischen Konsensgedanken verpflichtet, wichen viele Komponisten der österreichischen Nachkriegszeit ins Unverbindliche des Neoklassizismus, der Neuromantik und des Impressionismus bzw. in das Reglement der Zwölftonmusik aus. Nur im Latenten, Metaphernhaften wurden auf diese Weise die Traumata der unmittelbaren Vergangenheit künstlerisch verarbeitet. Die Vision des "neuen Österreich" war dazu im Gegensatz zwar manifester Gegenstand von Musik, wurde stilistisch aber überaus konventionell propagiert (etwa in Franz Salmhofers "Befreiungshymne" oder Viktor Kordas "Lied von Kaprun"). Die Ambivalenz dieses Spannungsfeldes aus individuellen und kollektiven Bestrebungen, nationaler und alliierter Kulturpolitik, Ideologie und künstlerischem Ausdruck soll anhand ausgewählter Fallbeispiele aus dem "ernsten", aber auch populären Musikschaffen der österreichischen Nachkriegszeit nachgezeichnet werden.

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Dienstag 20. April 2010

ao. Univ.-Prof. Dr. Werner Jauk (Universität Graz, Institut für Musikwissenschaft): Sound & signs - Waffen im kulturellen Krieg der Generationen
Seit dem Beginn ist die mit den Massenmedien in symbiotischer Beziehung entstandene Pop-Musik mit Gegenhaltung assoziiert, zugleich wird sie als Affirmation des bestehenden Systems gewertet. Für die einen ist Pop-Musik tragender Teil einer semiologischen Guerilla für die anderen stimulative Verführung - Pop-Musik ist Waffe in einem politischen Kampf der Formalisierung von pubertären Wünschen und Sehnsüchten in kultureller Innovation, Pop-Musik ist Waffe im Feldzug der territorialen Ausweitung des kapitalistischen Systems. Elvis war der erfolgreichste Soldat in diesem Kampf - er siegte auf beiden Seiten. Als emotionaler Führer sollte er die Jugend jenes Landes erobern, deren Eltern die Strategien dafür als Propaganda erarbeitet hatten - Elvis war die Verlängerung des Marshall-Plans. Als Weißer mit schwarzer Attitüde, als "white nigger" diente Elvis der westlichen Jugend als Figur, sich mit einer ersehnten Kultur zu identifizieren. Dabei war die schwarze Kultur lediglich die Projektionsfläche der pubertären Wünsche nach Eigenständigkeit symbolisiert und stimuliert an Körperlichkeit. Was mit einem (kontrollierten)
Einzelkampf auf beiden Fronten begann ist über die Emanzipation der "kleinen Stimme" zur politischen Stimme, über außerparlamentarische Opposition zu einer massenhaften Bewegung geworden aus der letztlich politische Alternativen hervorgegangen sind - Woodstock symbolisiert als Ort jenes emotionalen politischen Klimas diesen gesellschaftspolitischen Wandel.

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Dienstag, 11. Mai 2010
Univ.-Doz. Dr. Dalibor Davidovic (Universität Zagreb, Musicka Akademija): "Alles ist dasselbe, nur ihn gibt's nicht mehr". Popmusik und Politik nach der Teilung Jugoslawiens
"Jugopop" war nicht jede populäre Musik Jugoslawiens, sondern diejenige, die von einer neuen Nation träumte, eine "Brüderlichkeit und Einheit" imaginierte und von der politischen "Idee" durchdrungen war, am meisten dann, wenn sie darauf nicht explizit Bezug nahm. Dabei entsprach ihre Ästhetik jener Volkstümlichkeit, die in einer vorindustriellen Form für das "nationale" Opernschaffen zwischen den Weltkriegen charakteristisch war. Ob die Teilung Jugoslawiens das Ende von "Jugopop" bedeutete, oder ob sich seine Träume vielmehr erfüllt haben, und was es für eine Musik bedeutet, wenn sich ihre Träume nun erfüllen - das sind die Fragen, mit denen sich dieser Vortrag befassen möchte.


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