2009-10-20
Bild - Raum - Materie. Film und Geschichte bei Siegfried Kracauer
Die aktuelle Übersetzung von Siegfried Kracauers Detektiv-Roman sowie History. The Last Things before the Last ins Ungarische (Übers. v. Katalin Teller, Budapest, Kijárat, 2009) ist ein freudiger Anlass für unseren in Budapest und Wien koproduzierten Workshop (4.-7. November 2009). Dabei soll Kracauer aus Perspektiven der Geschichtswissenschaft, Kulturtheorie, Philosophie und Filmästhetik nachgespürt und diskutiert werden. Kracauers Denken spielt sich ab in Theologie und in deren Auflösung, in Ideologiekritik und in Positivdiagnostik der Massenkultur, in Filmtheorie und in Geschichte als Formen der Durchkreuzung von Philosophie. Es geht dabei um Umwidmungen von Zwischenräumen zu Wissensstandorten und um Wendungen von "last things" zu "lost causes".
Budapest

The M1-line so is a memento to both: a liberal mayor (for what Budapest was capable of) and the Siemens company, who more than a hundred years ago was capable of producing faultless underground trams (not like today's Combino crap...)


Du warst unpersönlich wie die anderen bebrillten Führer
im Sakko, deine Stimme war nicht metallen,
denn du wußtest nicht, was du eigentlich sagen solltest,
so unvermittelt den vielen Versammelten. Gerade das Plötzliche
war ungewohnt für dich. Du alter Mann mit dem Zwicker,
ich hörte dich, ich war enttäuscht.
Ich wußte noch nichts
vom Betonhof, wo der Staatsanwalt
das Urteil gewiß heruntergeleiert hat,
ich wußte noch nichts von der groben Reibung
des Stricks, von der letzten Schmach.
Wer will sagen, was sagbar gewesen wäre
von jenem Balkon aus, Möglichkeiten, unter Maschinengewehren
verfeuert, kehren nicht zurück. Gefängnis und Tod
wetzen die Schärfe des Augenblicks nicht aus,
wenn der eine Scharte bekommen hat. Aber wir dürfen uns erinnern
an den zögernden, verletzten, unentschlossenen Mann,
der gerade seinen Platz zu finden schien,
als wir davon aufwachten,
daß man unsere Stadt zerschoß.
Übersetzt von Hans-Henning Paetzke
