1956 remembered - Part 7

posted by Bela Rasky on 2006/05/18 01:33

[ 1956 remembered ]

"Traum und Trauma: Ungarn 1956"
Eröffnungsrede zu Ausstellung im Burgenländischen Landesmuseum
18. Mai 2006
Béla Rásky


"Wenn es je so etwas gegeben hat wie Rosa Luxemburgs 'spontane Revolution', diesen plötzlichen Aufstand eines ganzen Volkes für die Freiheit und nichts sonst – spontan und nicht veranlasst durch das demoralisierende Chaos einer militärischen Niederlage, nicht herbeigeführt durch Staatsstreichtechniken, nicht organisiert von einem Apparat berufsmäßiger 'Verschwörer' und professioneller Revolutionäre, ohne die Führung selbst einer Partei, also etwas, das jedermann, Konservative wie Liberale, Revolutionäre wie Radikale längst als einen schönen Traum hinter sich gelassen hatte – dann ist es uns vergönnt gewesen, wenigstes davon Zeuge gewesen zu sein." – schreibt die Philosophin Hannah Arendt 1957 in ihrem Essay "Die ungarische Revolution und der totalitäre Imperialismus".

Das ist nun fünfzig Jahre her, und inzwischen ist die ungarische Revolution des Jahres 1956 ein Teil der europäischen Geschichte geworden: Nicht nur als Allgemeinplatz, wie man so etwas heutzutage schnell einmal auf Sonntagsreden dahersagt, sondern real und tief in unserem Denken verwurzelt. Einfach deshalb, weil jeder und jede in Europa, der diese Revolution damals erlebt und mitverfolgt hat, auch starke persönliche Erinnerungen an sie hat und diese einer nächsten Generation auch immer weitergegeben hat. Es gibt wohl kein europäisches Haus ohne diese Erinnerung. Ungarn hat sich mit seiner vertracksten Geschichte des 20. Jahrhundert mit dieser Revolution – wie schon 1848 - weltweite Sympathien sichern können: Der ungarische Freiheitskampf gegen den Stalinismus bewegte Millionen Menschen in aller Welt, hat eine tiefe Spur hinterlassen – und trotz der Tragödie, die ihm folgte – namentlich die Massenflucht und das kádáristische Terrorregime der Jahre unmittelbar nach der Revolution mit seinen Hinrichtungen und Massenverfolgungen – ist diese Revolution im Kern dennoch erfolgreich gewesen: Ohne 1956 sicherlich kein annus mirabilis), kein Jahr der Wunder 1989. Die Grundlagen der freien dritten Republik Ungarn sind 1956 gelegt worden.

In der Fachsprache der Historiker und Historikerinnen erinnert sich ein Gemeinwesen an die großen und wichtigen Daten der gemeinsamen Geschichte entweder über ein kommunikatives Gedächtnis, oder es verfügt bereits über ein eigenes kulturelles Gedächtnis dieser Ereignisse. Konkret heißt das, dass wir im ersteren Fall unsere Vorfahren über ihre vielfältigen Erinnerungen an historische Ereignisse, über ihre Sicht dieser Dinge noch direkt befragen können, also mit ihnen darüber kommunizieren können. Deshalb auch kommunikatives Gedächtnis. Sie bestimmen dann in vielen Bereichen unsere Erinnerung, unsere Wahrnehmung der Ereignisse mit, geben sie an uns weiter. Dies ist in vielem natürlich hilfreich und gut, in vielem – vor allem bei kontroversiellen Ereignissen – in der Ausformung unseres eigenen Gedächtnisses aber auch behindernd, weil die Erinnerung eben etwas sehr Individuelles ist, und uns diese Erinnerungen in unserer Analyse der Ereignisse selbst oft entgegenarbeiten, ja sogar blockieren können. Wir erinnern uns eben immer anders, oder in anderen Nuancen. Oder verschweigen Dinge. Ja, wir lügen sogar ziemlich häufig. Wo wüsste man das besser als gerade in Österreich.

Nachdem wir aber nicht nur politische Wesen sind, sondern eben auch biologische, ist uns diese Möglichkeit, Erinnerungen weiterzugeben, über sie zu kommunizieren, nur bis zu unserem Tod gegeben. Danach kann sich ein Gemeinwesen an bestimmte Ereignisse, an gewisse Daten seiner Geschichte nur mehr kulturell also über Gedenktage, Rituale, Bräuche, Ausstellungen und Kulte erinnern. Es ist niemand mehr da, der uns berichten könnte, wie er oder sie etwas erlebt oder erfahren hat. Aber aus den vielen uns überlieferten Facetten und Angaben – und natürlich dank der Hilfe oder der Tricks der Historiker und Historikerinnen - wissen wir letztlich trotzdem Bescheid, wir erinnern uns, wir konstruieren unser Gedächtnis, unsere Geschichte wird ein Teil unserer Kultur. Deshalb auch kulturelles Gedächtnis.

Ungarn befindet sich in der Frage dieser beiden gemeinschaftlichen Gedächtnisformen was die unmittelbare Nachkriegszeit und eben auch 1956 betrifft in einer Art fließendem Übergang, fachterminologisch gesagt im floating gap. Noch gibt es Menschen, die berichten können über den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust, Stalinismus und 1956, aber sicherlich nicht mehr lange. Und die ungarische Gesellschaft ist nun gerade dabei zu besprechen, zu verhandeln, sich zu erstreiten, wie man sich an alle diese großen Wendepunkte in Hinkunft erinnern wird oder man sich zumindest erinnern sollte. Ungarn muss dabei sehr viel auf einmal aufarbeiten, bewältigen: eben wie es im Titel dieser zu eröffnenden Ausstellung heißt, Träume und Traumen gleichermaßen und das alles auf einmal. Es ist sicherlich keine leichte Aufgabe.

Eine lange Zeit konnte das in Ungarn nicht geschehen, was 1956 betrifft nicht einmal in der weichen Kádár-Diktatur: Die Worte Österreich ist frei! von Bundeskanzler Leopold Figl am 15. Mai 1955 im Marmorsaal des Wiener Belvedere – und sie sehen hier ein wunderbares Beispiel meiner Ausführungen über kommunikatives und kulturelles Gedächtnis, denn wer in Österreich glaubt nicht, dass Bundeskanzler Figl, diese Worte am Balkon des Belvedere gesagt hätte, eben weil wir uns kollektiv eben so daran erinnern – nun dieses Österreich ist frei! gab dem Land die Möglichkeit, sich frei und unabhängig über seine Geschichte zu äußern, während die Worte von Ministerpräsident Imre Nagy am 4. November 1956 im kurzfristig freien ungarischen Rundfunk – Die Truppen der Sowjetunion haben diesen Morgen die Volksrepublik Ungarn angegriffen. Unsere Truppen stehen im Kampf – und die folgende Niederschlagung der Revolution 1956 die Unmöglichkeit markieren, sich in einer freien und unabhängigen Republik, seiner eigenen Vergangenheit zu stellen.

Aber inzwischen muss auch das freie Ungarn nach 1989 feststellen, dass gerade was die Geschichte betrifft, die Möglichkeit des Tabubruchs, der freien Aufarbeitung, der Bewältigung von Geschichte nicht immer nur einfach ist. Der inzwischen auch gesetzlich verankerte Grundkonsens, 1956 sei eine Revolution und ein Freiheitskampf gewesen, reicht dazu noch lange nicht aus: Gab es vor 1989 die nur still und heimlich vorgetragene, oder im stillen kollaborativen Konsens mit dem Kádárregime oft auch freiwillig verdrängte eine Geschichte der großartigen Revolution, so stellte sich nach 1989 heraus, dass es eben diese eine Geschichte nicht gibt, sondern dass es viele Abertausende 1956e in den Herzen, Seelen und Köpfen der Menschen gibt. Und dass es gesellschaftlich in den Facetten und Nuancen der Erzählungen nicht wirklich einen Konsens gibt. Um den 50. Jahrestag zeigt sich noch immer, wie weh 1956 tun kann: Vielen tut weh, dass sich nun oft jene in Ungarn über 1956 äußern, die jahrzehntelang geschwiegen, ja die Revolution denunziert hatten, vielleicht sogar am Terrorregime unmittelbar nach der Revolution und am Unrechtsstaat in irgendeiner Weise beteiligt waren. Und es tut weh, dass diese Leute oft – aber nicht immer - nicht einmal ein einfaches Wort der Entschuldigung oder der Reue gefunden haben. Weh tut vielen andersrum wieder auch, dass diese Revolution, die gerade auch für Respekt, Menschenwürde und Toleranz eingetreten ist, inzwischen auch oft von rechtsextremistischen Kreisen usurpiert wird, was eine positive Erinnerung an die Revolution oft blockiert, viele – vor allem junge Menschen – diesem grandiosen Ereignis der ungarischen Geschichte gegenüber gleichgültig werden lässt. Nun, dies zu "bewältigen" ist sicherlich die Aufgabe der ungarischen Gesellschaft der kommenden Jahre, und sie wird diese sicherlich meistern.

Aber 1956 ist eben nicht nur eine ungarische oder eben eine einfache europäische Geschichte, sondern ist – so paradox dies auch klingen mag – ein Teil der engsten österreichischen Zeitgeschichte. Während sich die meisten Europäer und Europäerinnen an 1956 "nur" erinnern können, genießen die Österreicher und Österreicherinnen, was diese Revolution betrifft, gewissermaßen einen Extrabonus, wurde doch 1956 und was der Revolution folgte zu einem Teil der Erfolgsgeschichte des Landes, eine tragende Säule des Selbstverständnisses der Zweiten Republik: Jeder Österreicher und jede Österreicherin, der oder die heute über fünfzig-sechzig Jahre alt ist, kann sich nicht nur erinnern, sondern hat eben auch immer eine eigene, ganz persönliche Geschichte zu 1956, eine Geschichte, die nicht nur abstrakt mit der Revolution zu tun hat, sondern konkret mit einem Menschen, einem Ungarn oder einer Ungarin zu tun hat; eine Geschichte, die in jeder Familie weitergegeben, kommuniziert wurde und wird – eben zu einem Teil des kommunikativen Gedächtnisses dieses Landes geworden ist – und langfristig, wie wir an den zahlreichen kommenden Veranstaltungen in diesem Jahr noch sehen werden, zum Teil des kulturellen Gedächtnissen werden wird.

Die meisten dieser Geschichten kursieren natürlich bezüglich der Ankunft, der Aufnahme der 200.000 nach der blutigen Niederschlagung der Revolution nach Österreich flüchtenden Ungarn und Ungarinnen und den ersten großen, zutiefst spontanen Hilfsmaßnahmen, der Integration der hier gebliebenen Menschen. Diese Geschichten sind damit ein Teil der Geschichte Österreichs.

Für Österreich war 1956 eben mehr als eine Revolution in einem Nachbarland, ja mehr als eine spontane und zutiefst herzliche Hilfeleistung.

Aber so wie man in Österreich wenig weiß über die Nachgeschichte der Revolution, über die schmerzvolle Bewältigungsarbeit der ungarischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, so weiß man in Ungarn wenig über diesen österreichischen Bezug zu 1956: Dass nämlich ihre, ihre ungarische Revolution, die man noch immer so eng national, so uneuropäisch sieht, sehr viel zu einer österreichischen Selbstfindung, zur Entstehung einer österreichischen Identität, zur österreichischen Nationswerdung beigetragen hat. Erinnern wir uns nur an die Bezeichnung für den noch im November 1956 eingerichteten parteienübergreifenden, bundesweiten Hilfsausschuss für die Ungarnflüchtlinge: Das "Österreichische Nationalkomitee für Ungarn" war eine der ersten Organisationen dieses Landes nach 1945 in dem das Wort "Österreich" und "Nation" wie selbstverständlich aufeinander trafen.

Auch wenn es pathetisch klingen mag: 1956 war tatsächlich eine große Bewährungsprobe für das kleine, gerade erst unabhängig gewordene, neutrale Österreich mitten im Kalten Krieg. Es war die Chance für einen Neubeginn, die Chance alte Geschichten, oder besser: die alte Geschichte zu überschreiben, ein bisschen auch wieder gutzumachen, sie "zu ordnen", wie es Attila József in seinem Gedicht "An der Donau" formuliert hat, - "Ordnen wir endliche unsere Dinge, so unser Auftrag und er ist nicht gering", heißt es da - ohne darüber vorerst noch viel reden zu müssen. Dieses Sprechen sollte und musste erst viel später, eine Generation später kommen. Es war aber auch die Chance, alte Konflikte mit einem Nachbarn zu regeln, gerade hier im Burgenland – was ja bis heute in vielen anderen Himmelsrichtungen um Österreich noch nicht ganz gelungen ist. Was den östlichen Nachbarn betrifft, so haben das Burgenland – einst trennend und heute verbindend – und seine Bevölkerung gerade 1956 zu dieser Klärung sicherlich viel beigetragen.

Bis 1956 war das Burgenland ja eine der großen tragischen Stätten der ungarischen Geschichte: Und ich denke hier gar nicht so sehr an den territorialen Verlust deutschsprachig Westungarns (denn auch dieser ist längst keine Wunde mehr, sondern Brücke), sondern vielmehr daran, dass die NS-Zwangsarbeit am Südostwall in den letzten Kriegsjahren 1944/45 diesen Landstrich vom Seewinkel bis Güssing zu einem der größten Massengräber ungarischer Bürger und Bürgerinnen gemacht hat, von Bürgern und Bürgerinnen, die vom damaligen ungarischen Staat entrechtet, ausgegrenzt und schließlich der nationalsozialistischen Mordmaschinerie ausgeliefert worden waren – und worüber lange dies- und jenseits der Grenze, fast hätte ich gesagt der Leitha, was ja historisch falsch wäre, lange geschwiegen wurde.

Es ist als hätte die Burgenländer und Burgenländerinnen mit ihrer Hilfsbereitschaft nach 1956 dieses dunkelste Kapitel der gemeinsamen Geschichte auch irgendwie überschreiben, neu schreiben, "ordnen" wollen. Gelingen konnte es erst dann, als man begann über die Geschichte, über die ganze, offen oder zumindest offener zu reden.

Die österreichische Geschichtsschreibung der Zweiten Republik, ich meine jetzt sowohl die politische und wissenschaftliche, als auch die in den Köpfen der Menschen lebende, kennt - genauso wie jene der Ersten - viele große Erzählungen: Eine dieser sieht Österreich nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages 1955 als ein kleines, neutrales Land zwischen den beiden Machtblöcken, das für alle politisch verfolgten Menschen offen steht und ihnen bereitwillig Asyl gewährt. Der November 1956 und die Aufnahme der 200.000 Ungarnflüchtlinge nach dem Scheitern der wohl wichtigsten antistalinistischen Revolution ist für diese Erzählung einer der vielen Angelpunkte, die in der österreichischen Selbstfindung nach 1945 einen wichtigen Platz eingenommen und auch heute noch seine Gültigkeit hat.

Im eher geringen Angebot der Identifikationsmöglichkeiten für das kleine, neutrale und selbständige Österreich hat die "österreichische Seele" diese Erzählung inzwischen zum allgemeingültigen Kanon erhoben: Die Erinnerung daran wie Österreich die Ungarnflüchtlinge 1956 bereitwillig, mit offenen Armen und ohne "Wenn und Aber" aufgenommen hat, ist der Ausgangspunkt zweier großer Diskurse in der heutigen österreichischen Öffentlichkeit bzw. besser: in den österreichischen Öffentlichkeiten. Während die einen - und das sind vor allem jene Österreicher und Österreicherinnen, die heute eine eher restriktive Flüchtlingspolitik der Republik unterstützen würden - mit dem November 1956 verdeutlicht bekommen, dass Österreich in einer bestimmten Extremsituation sehr wohl bereit gewesen ist, "wirklichen politischen Flüchtlingen, wirklichen Hilfesuchenden" bis zur Selbstaufopferung zu helfen, sehen die anderen Bürger und Bürgerinnen des Landes - das sind wiederum jene, die für eine liberale Handhabung der österreichischen Asyl-, Fremden- und Integrationspolitik eintreten - im damaligen Verhalten Österreichs, als das Land noch viel ärmer und bedrohter als heute gewesen ist, jenen positiven Zug, den sie an der heutigen Republik vermissen. Trotz der relativen Armut und der viel konfliktgeladeneren weltpolitischen Konstellation hätte sich Österreich damals eine großzügige Asylpolitik leisten können.

Wesentlich hier ist, wie sehr in beiden Diskursen 1956 eine tragende Rolle zukommt, wie sehr 1956 ein Teil der Geschichte dieses Landes wird – fast vollkommen unabhängig von der politischen Überzeugung.

Die Geschichtsschreibung wird – ihrer Aufgabe gerecht werdend - diese Geschichte inzwischen natürlich nuancierter, kritischer erzählen, und manche Historiker gehen sogar so weit, die Aufnahme der Ungarnflüchtlinge 1956 als eine große "PR-, also Werbeaktion" der Zweiten Republik darzustellen, seien doch die meisten Flüchtlinge sowieso gar nicht hier geblieben, sondern binnen einigen weniger Wochen und Monate weitergewandert, und manche andere bemängeln, dass den Ungarnflüchtlingen in diesem Narrativ gewissermaßen nur die Rolle von Statisten zukäme: 'Seht her', soll es hier heißen, 'uns ist es mit unserem Verhandlungsgeschick, mit unserer Kompromissbereitschaft gelungen, uns die Neutralität zu erkämpfen, während die hitzköpfigen Ungarn mit ihrer Revolution kläglich gescheitert sind und nun unserer Hilfe bedürfen!'

Mag alles sein, am Gesamtbild kann es doch nicht viel ändern: Die Aufnahme und Versorgung von 200.000 Menschen war eine organisatorische, politische, kulturelle, integrative aber vor allem menschliche Leistung eines kleinen, relativ armen Landes.

Die ungarischen Flüchtlinge haben sicherlich viel bekommen, aber sie haben es auch – und auch das gehört zu dieser Geschichte - , sobald sie nur konnten, meistens auch zurückgegeben, mit ihrer Arbeit, ihrer Leistung, ihrem Fleiß, und ihrer Verbundenheit zu Österreich, und es gibt heute wohl keine Berufssparte in Österreich, in der die 56er-Flüchtlinge keine Rolle spielen bzw. langsam gespielt hätten – vom Bauarbeiter bis zum Literaten.

Sie sind zu Österreichern und Österreicherinnen geworden, ohne dabei je ihr Ungartum aufzugeben, ja dieses auch noch ihren Kindern weiterzugeben – und eben damit haben sie die österreichische Gesellschaft um die Facette der Vielfalt bereichert, die Österreich heute so wohlhabend und so bunt macht, aber, wie gesagt, sie haben dabei eben auch diesen Vorausrespekt erhalten, der ihnen wohl gebührt hat, und der wohl jedem und jeder – auch heute noch - zusteht: Denn wie wir wissen ist Integration keine Einbahnstrasse. Es scheint, als hätte man dies vor fünfzig Jahren alles besser gewusst. Ja, hier wäre vielleicht ein Mehr an Erinnern gut.

Ja, und falls Sie sich hinsichtlich meiner Person etwas fragen sollten: Meine Eltern überschritten am 4. November 1956 bei Klingenbach die österreichisch-ungarische Grenze. Ich selbst war zu dieser Zeit ein gerade einmal ein paar Wochen altes Embryo, geboren wurde ich dann – wie so viele Wiener und Wienerinnen zu dieser Zeit – im AKH am Wiener Alsergrund. Wien oder besser der Bezirk Landstraße, ist dann meine Heimat geworden, Kindheit, Schule, Universität, alles verbindet mich mit Wien, und Ungarn war fern, wenn auch immer präsent, zumindest das Ungarn meiner Eltern – und so wurde ich Wiener, oder ein Wiener Historiker, wie ich mich gern nenne, auch wenn meine Vorfahren nicht seit Generationen in dieser Stadt ansässig gewesen sind, sondern in Kőszeg, in Güns, einen Steinwurf von der österreichisch-ungarischen Grenze entfernt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Antworten

Budapest

A picture from the heydays of liberal Budapest - when a whole (though short) underground line could be built within two years. And M1, the famous "Földalatti", Budapest's yellow line, still works. I have never seen this image of the construction on Andrássy before, so be full of admiration - and I am not telling your where it is from...

The M1-line so is a memento to both: a liberal mayor (for what Budapest was capable of) and the Siemens company, who more than a hundred years ago was capable of producing faultless underground trams (not like today's Combino crap...)

Budapest has – together with St. Petersburg and Vienna – one of the largest tramway networks of the world. The tramway type "UV" – standing for "Új villamos - New tramway" and pictured above – was designed in the early forties and is still a symbol for Hungary's once high-tech railway-carriage industry. With the arrival of the new low-floor-trams in spring 2006 – built by Siemens in Vienna and not too beautiful – this landmark of Budapest will vanish from the cityscape.
György Petri: Imre Nagy

Du warst unpersönlich wie die anderen bebrillten Führer
im Sakko, deine Stimme war nicht metallen,
denn du wußtest nicht, was du eigentlich sagen solltest,
so unvermittelt den vielen Versammelten. Gerade das Plötzliche
war ungewohnt für dich. Du alter Mann mit dem Zwicker,
ich hörte dich, ich war enttäuscht.
Ich wußte noch nichts

vom Betonhof, wo der Staatsanwalt
das Urteil gewiß heruntergeleiert hat,
ich wußte noch nichts von der groben Reibung des Stricks, von der letzten Schmach.

Wer will sagen, was sagbar gewesen wäre
von jenem Balkon aus, Möglichkeiten, unter Maschinengewehren
verfeuert, kehren nicht zurück. Gefängnis und Tod
wetzen die Schärfe des Augenblicks nicht aus,

wenn der eine Scharte bekommen hat. Aber wir dürfen uns erinnern
an den zögernden, verletzten, unentschlossenen Mann,
der gerade seinen Platz zu finden schien,

als wir davon aufwachten,
daß man unsere Stadt zerschoß.

Übersetzt von Hans-Henning Paetzke

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