Urban Life - Part 7
[ Urban Life ]
Budapester Stadtbildschützer versuchten in der Király utca die Demolierung eines Hauses des klassizistischen Architekten József Hild zu verhindern – auch wenn sie nicht erfolgreich waren (und das Haus mit seinen oftmaligen Umbauten seinen einstigen architektonischen Wert nur erahnen lässt), so ist es ihnen immerhin gelungen, eine (kleine) Debatte über die Budapester Stadtentwicklung loszutreten – und selbst die kommerziellen, "natürlich" sensationsgierigen Medien auf ihre Seite zu ziehen.
Die innere Elisabethstadt ist in ihrem Verfall eine der letzten großen "alten" Quartiere der Innenstadt Budapest, auf ihre Art ein kleiner "Spittelberg", sich geradezu anbietend für die – gäbe es sie nur – Schicht von Bobos, die in die verfallenden Gemäuer wieder leben bringen könnten.
Aber Budapest war schon immer eine Stadt der brutalen Modernisierung und der weitläufigen Assanierung: In der Regel diktierte das Profitdenken die Stadtentwicklung, mit einer Ausnahme, die aber gleichzeitig den Grundstein der Metropole legte. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte ein Masterplan des "Közmütanács", eines Rates für die öffentliche Entwicklung, die groben Richtlinien für die Stadt vorgegeben. So entstanden die Ringe und die Radialstrassen, die erste U-Bahn, die großen öffentlichen Gebäude der Stadt und letztlich innerhalb einiger Jahrzehnte das Budapest wie wir es heute kennen.
Andere Stadtteile entstanden schon unter dem Diktat des Kapitals: Die heute als großzügig angelegtes urbanes Bauhausauquartier erfahrene Neu-Leopoldstadt ist letztlich das Ergebnis großflächiger Abrisse und profitorientierter Neubauten wie das Ensemble des "Szent István Parks". Bei dem als Gegenpol zu diesem in erster Linie von den assimilierten, intellektuellen jüdischen Ungarn besiedelten Bezirk von den Horthy-(Halb)Faschisten konzipierten Lágymányos als mondäner Stadtteil der konservativen Bourgeoisie in Südbuda zwischen Móricz- und Kosztolányiplatz ebenso.
Der letzte große Versuch die zügellose Entwicklung der Stadt zu koordinieren scheiterte ebenso: In den dreißiger Jahren sollte vom Stadtzentrum quer durch das schon damals "ungleichzeitige" Quartier jüdischer Kleingewerbetreibender die Madách-Radiale zwischen Rathaus im Zentrum zum großen Ring und darüber hinaus führen, allein der Kapitalmangel der Kommune und Krieg vereitelten das Projekt: Und so blieb alles beim Alten. Torsi dieses großen Plans zieren bis heute – als architektonische Juwele – am Madách tér bei der Synagoge oder beim Klauzálplatz (wo sich heute das Lokal "Sarok" befindet, mehr dazu ein andermal) das Stadtbild.
Es ist dieser Stadtteil dessen Verfall durch die Jahre des Kommunismus, der wenig (aber keinesfalls Nichts, wie man heute gerne behaupten würde, im wilden Verdammen der "bösen vierzig Jahre") für die Stadtentwicklung im Inneren der Stadt tat, nur noch weiter beschleunigt wurde.
Will man abseits der großen Touristenpfade die Stadt entdecken, zieht es aber einem unwillkürlich in diese Gegend Budapests. Abschätzig oder liebevoll – je nachdem – nennt man in Budapest diesen Teil der inneren Elisabethstadt das "Ghetto": Warum ist eine Streitfrage, ob wegen der Händler und Kleingewerbetreibenden entlang der Király utca oder deshalb weil man unter faschistischer Herrschaft in den letzten Tagen des Jahres 1944 die überlebenden jüdischen BürgerInnen der Stadt hierher pferchte.
Neben dem dichte Gedränge der Metropole bewahrte dieser Stadtteil seinen eigenen Dorfcharakter, verfallene Hinterhöfe, klassizistische Häuser, manchmal ein Haus, fast eine Villa im Jugendstil, verrauchte Wirtshäuser, koschere Fleischhauer, Hundescheiße – in jeder anderen Weltstadt über kurz oder lang die ideale Kulisse eines eigenen Bohemeviertels mit eigenem Charakter.
Nun, in Budapest geschah einmal lange gar nichts: Hochtrabende Pläne gab es zwar immer wieder - vor allem um die wunderschönen Gozsduhöfe, den Hackeschen Höfen in Berlin durchaus vergleichbar. Investoren kamen und gingen, aber nichts geschah: Tatsächlich schien es lange Zeit so, dass sich der Stadtteil langsam zwar, aber dennoch ohne Bausäue, sondern eben dank ziviler Initiative erholt: Ab der Jahrtausendwende wurde das Viertel im Sommer durch verschiedene Hinterhoflokale belebt, die Gegend bekam langsam wieder eine Aura. Natürlich protestierten die Kleinbürger über den Lärm und die Belästigung, aber was soll's. Als Gegenpol zum Liszt-Ferenc-Tér, wo sich die Neureichen trafen, gab sich hier die intellektuelle, studentische und alternative Szene ein Stelldichein. Der Hip des Hinterhofes erweckte aber leider wieder das Interesse der Investoren und natürlich der Bezirksverwaltung, die plötzlich wieder eine Chance erblickte diesen darniederliegenden Teil zwischen dem kommerziellen Teil der Stadt und dem Theaterviertel zu aktivieren (und sich eine Einnahmequelle zu erschließen). Kurzsichtig wie der Budapester Kommunalpolitiker nun einmal ist begann mit der Sanierung gewisser Teile: Die Király utca wurde – lieb- und ideenlos – zu einer verkehrsberuhigten Zone umgemodelt, mit dem Ergebnis, dass man nun auf Parkbänken sitzend die Autoabgase einatmen darf und die Autos nun quer und nicht mehr längs parkieren. Aber auch hier spielt natürlich das dumme Selbstverwaltungsgesetz Budapests eine Rolle, das den Bezirken eine unsägliche, der Hauptstadt selbst aber fast keine Macht zugesteht: Und die Király utca ist nun einmal die Grenze zwischen dem 6. und 7. Bezirk.
Man kann sogar einer gewissen Sanierung des Stadtteils zustimmen, kann es begrüßen, dass Kapital hierher fließt, allein das architektonische Ergebnis der bisherigen (Un)taten ist erschreckend: Wer einmal das käsegelbe Haus in der Holló utca gesehen hat oder die Umrisse des daneben entstehenden "Eszterház". versteht, dass die umtriebige "Óvás"-Gruppe ("Einspruch") alles unternimmt, um den weiteren Ausbau des Projekts mit allen Mitteln zu hintertreiben. (Nur den faden Stadtbildschützer Mihály Ráday, der seit Jahr und Tag jeden schiefen Nagel aus dem 19. Jahrhundert retten möchte, dabei aber jedes Juwel der Moderne an liebste sprengen möchte, hätte sich die Gruppe sparen können). Und da Wahlkampf ist tun halt auch die Kommunalpolitiker so, als würde sie die Sache ernsthaft interessieren. Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben.
1 Attachment(s)
< previous Posting next >
<< previous Topic next >>
Budapest
The M1-line so is a memento to both: a liberal mayor (for what Budapest was capable of) and the Siemens company, who more than a hundred years ago was capable of producing faultless underground trams (not like today's Combino crap...)
Du warst unpersönlich wie die anderen bebrillten Führer
im Sakko, deine Stimme war nicht metallen,
denn du wußtest nicht, was du eigentlich sagen solltest,
so unvermittelt den vielen Versammelten. Gerade das Plötzliche
war ungewohnt für dich. Du alter Mann mit dem Zwicker,
ich hörte dich, ich war enttäuscht.
Ich wußte noch nichts
vom Betonhof, wo der Staatsanwalt
das Urteil gewiß heruntergeleiert hat,
ich wußte noch nichts von der groben Reibung
des Stricks, von der letzten Schmach.
Wer will sagen, was sagbar gewesen wäre
von jenem Balkon aus, Möglichkeiten, unter Maschinengewehren
verfeuert, kehren nicht zurück. Gefängnis und Tod
wetzen die Schärfe des Augenblicks nicht aus,
wenn der eine Scharte bekommen hat. Aber wir dürfen uns erinnern
an den zögernden, verletzten, unentschlossenen Mann,
der gerade seinen Platz zu finden schien,
als wir davon aufwachten,
daß man unsere Stadt zerschoß.
Übersetzt von Hans-Henning Paetzke
Antworten