Urban Life - Part 35

posted by Bela on 2007/09/04 15:23

[ Urban Life ]

Am Heumarkt in Ofen, Samstag Nacht um halb zwei...
Ein Dramolett

Samstag Nacht, halb zwei, Schlange vor "Jeff's" am Széna tér mit den wahrscheinlich grausigsten Hamburgern und Kebabs von Buda – aber bei nächtlichen Trinktouren und folgenden Hungerattacken nimmt man ja einiges in Kauf: Gruppe alkoholisierter post-Wende Jugendlicher etwas abseits, schreien anderen, ebenfalls post-Wende Jugendlichen, in der Schlange zu, was sie bestellen sollen. Dazwischen fallen Worte wie "Rothschild-Land", "Hurenjuden", "Lügner Gyurcsány", "Schwuchtel Demszky" (liberaler OB von Budapest). Einer in der Schlange, der Blogger, murmelt seufzend – weil er seine Ruhe haben und außerdem schnell etwas essen möchte – resignierend in sich hinein: "Schon wieder diese Bagage." Bursche vor ihm hebt sichtlich die Augenbraue, schweigt aber.

 

 

Einer der Jugendlichen lässt seinen Kebab fallen (was den Geschmack betrifft durchaus verständlich), verschmiert die Reste mit antisemitischen, nationalistischen, homophoben Kommentaren und unflätigen Flüchen versehen genüsslich am Asphalt.

Unerwartet eine resolute Stimme aus der wartenden Schlange, nämlich die des Bloggers: "Putzen Sie das sofort weg, oder soll ich die Ungarische Garde holen lassen, damit sie hier sauber macht? Denn Dreck machen ja jetzt Sie und nicht Herr Demszky." Bursche forsch den Leithammel hervorkehrend: "Wer sind Sie, was geht Sie das an, und verwenden Sie, wenn Sie mich ansprechen, Ön und nicht Maga. Und überhaupt haben Sie für Demszky gestimmt?" - "Geht mich sehr wohl was an. Ich bin Ausländer, habe kein Stimmrecht, aber wenn Sie mich schon so fragen: Hätte ich wahrscheinlich. Aber wichtiger: Erklären Sie mir doch endlich den Unterschied zwischen Ön und Maga."

Post-Wende Jugendlicher schaut verdutzt, denkt nach (Man hört es richtig: "Rassel, rassel, rassel"). "Wenn Sie Ausländer sind, mischen Sie sich nicht ein und gehen Sie nach Hause." "Arbeite und lebe hier, zahle hier Steuer und habe hier Familie." – Herrgott schau' oba, aber im Antifa-Kampf sind Lügen erlaubt – "Und außerdem wie wollen Sie mich Heim schicken – per Viehwaggon? Hatten wir ja schon, aber selbst dazu waren die ungarischen Pfeilkreuzler zu blöd und haben die deutschen Nazis gebraucht.... Und lernen Sie einmal eine andere Sprache so wie ich Ungarisch, aber eigentlich können Sie ja auch im Ungarischen bestenfalls Demszky, Juden und f...en biegen oder beugen. Aber putzen Sie jetzt endlich den Mist weg. Ich warte."

Bursche ob des Redeschwalls (und der Blogger macht in solchen Situationen noch mehr Fehler im Ungarischen als sonst, ist also als Ausländer durchaus authentisch) sichtlich verunsichert, kleinlaut: "Ich putze es ja eh weg, jetzt habe ich es nur einmal vorläufig hier deponiert. Außerdem habe den Dreck nicht ich gemacht, sondern Jeff. Ich bin nur ein Opfer." Wortgewaltige Stimme aus der Dönerbude: "He, Du Schwuchtel, pass auf, den Kebab hast Du runtergeschmissen nicht ich, putz ihn jetzt weg, und zwar sofort", und zum Blogger flötend: "Scharf?" – Dieser: "Scharf."

Dann kaum vernehmbare Stimme aus der Jugendlichengruppe: "Der Herr ("Úr", das bin ich, haha) hat Recht, Du hast den Mist gemacht." Jugendlicher: "Grummel, grummel." Plötzlich laute Stimme aus der bis dato stillschweigend die Ereignisse beobachtenden Schlange: "He, Du Nazi-Sau (Original: náci geci, unübersetzbar, geci ist das Ejakulat), putz es jetzt endlich weg, schleich Dich und kusch. Wir wollen auch was essen und hier nicht ewig warten."
Der etwas unfein Benannte: "OK, hau' ich's halt in Rothschilds Mistkübel." Ob dessen schwieg selbst der Blogger und überließ dem Burschen das Recht des letzten Wortes - und ging: Der Müll wurde übrigens tatsächlich entsorgt, hab's noch gesehen. Allein der Unterschied zwischen Ön und Maga blieb weiter ungeklärt...

Ja: und geschaut habe ich aber schon, ob sie mir eventuell nachkommen, im Raum Millenáris - "finster, finster, gar nichts kann man sehen" - kann man ja doch leicht nachts um halb zwei ein paar Watschen fangen, aber sie waren eher die Variante light...

 

 

 

 


Antworten

Budapest

A picture from the heydays of liberal Budapest - when a whole (though short) underground line could be built within two years. And M1, the famous "Földalatti", Budapest's yellow line, still works. I have never seen this image of the construction on Andrássy before, so be full of admiration - and I am not telling your where it is from...

The M1-line so is a memento to both: a liberal mayor (for what Budapest was capable of) and the Siemens company, who more than a hundred years ago was capable of producing faultless underground trams (not like today's Combino crap...)

Budapest has – together with St. Petersburg and Vienna – one of the largest tramway networks of the world. The tramway type "UV" – standing for "Új villamos - New tramway" and pictured above – was designed in the early forties and is still a symbol for Hungary's once high-tech railway-carriage industry. With the arrival of the new low-floor-trams in spring 2006 – built by Siemens in Vienna and not too beautiful – this landmark of Budapest will vanish from the cityscape.
György Petri: Imre Nagy

Du warst unpersönlich wie die anderen bebrillten Führer
im Sakko, deine Stimme war nicht metallen,
denn du wußtest nicht, was du eigentlich sagen solltest,
so unvermittelt den vielen Versammelten. Gerade das Plötzliche
war ungewohnt für dich. Du alter Mann mit dem Zwicker,
ich hörte dich, ich war enttäuscht.
Ich wußte noch nichts

vom Betonhof, wo der Staatsanwalt
das Urteil gewiß heruntergeleiert hat,
ich wußte noch nichts von der groben Reibung des Stricks, von der letzten Schmach.

Wer will sagen, was sagbar gewesen wäre
von jenem Balkon aus, Möglichkeiten, unter Maschinengewehren
verfeuert, kehren nicht zurück. Gefängnis und Tod
wetzen die Schärfe des Augenblicks nicht aus,

wenn der eine Scharte bekommen hat. Aber wir dürfen uns erinnern
an den zögernden, verletzten, unentschlossenen Mann,
der gerade seinen Platz zu finden schien,

als wir davon aufwachten,
daß man unsere Stadt zerschoß.

Übersetzt von Hans-Henning Paetzke

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