2006-10-16
Bolletik - Part 21
In den 1970er Jahren war die nach 1956 blutig restaurierte ungarische KP-Diktatur bereit längst eine sanfte, und 1989/90 gestaltete sich der Übergang vom Staatssozialismus in die Marktwirtschaft mehr oder weniger auf einen konsensualen, wenn auch steinigen Weg der Verhandlungen und Kompromisse zwischen Staatspartei und einer im wesentlichen geeinten demokratischen Opposition. Eine tiefgreifende, über symbolische Gesten hinausreichende "Vergangenheitsbewältigung" wurde von (fast) allen Seiten dabei tunlichst vermieden, hätte dies doch wahrscheinlich zu viel an kaum Bewältigbaren, an Schandtaten, Bösen, Kollaboration, Feigheit und Schweigen ans Tageslicht gebracht – einerlei auf welcher Seite.
Budapest

The M1-line so is a memento to both: a liberal mayor (for what Budapest was capable of) and the Siemens company, who more than a hundred years ago was capable of producing faultless underground trams (not like today's Combino crap...)


Du warst unpersönlich wie die anderen bebrillten Führer
im Sakko, deine Stimme war nicht metallen,
denn du wußtest nicht, was du eigentlich sagen solltest,
so unvermittelt den vielen Versammelten. Gerade das Plötzliche
war ungewohnt für dich. Du alter Mann mit dem Zwicker,
ich hörte dich, ich war enttäuscht.
Ich wußte noch nichts
vom Betonhof, wo der Staatsanwalt
das Urteil gewiß heruntergeleiert hat,
ich wußte noch nichts von der groben Reibung
des Stricks, von der letzten Schmach.
Wer will sagen, was sagbar gewesen wäre
von jenem Balkon aus, Möglichkeiten, unter Maschinengewehren
verfeuert, kehren nicht zurück. Gefängnis und Tod
wetzen die Schärfe des Augenblicks nicht aus,
wenn der eine Scharte bekommen hat. Aber wir dürfen uns erinnern
an den zögernden, verletzten, unentschlossenen Mann,
der gerade seinen Platz zu finden schien,
als wir davon aufwachten,
daß man unsere Stadt zerschoß.
Übersetzt von Hans-Henning Paetzke
