Gebrauchtes Budapest

posted by Amalia Kerekes on 2009/03/29 00:27

[ History - and what goes with it ]

In der Piper-Reihe Gebrauchsanweisung wurde neulich auch Ungarn mit 222 Seiten bilderlosem Klartext bedacht, und zwar von einem gewissen Viktor Iro, der seit einigen Jahren in Budapester Unterrichts- und Kaffeehauseinheiten heimisch ist.
Wie das Zuversicht strahlende Porträt des Verfassers, das einzige Bild nebst Cover, stimmt auch das nach bekannten Klischees und Geheimtipps geordnete Buch optimistisch: Vieles wird mit sachkundigen Hintergrundinformationen abgestaubt, wie etwa die Geschichte der Bauhauskünstler, es wird wieder einmal der Versuch unternommen, zur Entstehung des sog. ungarischen Globus einige Vermutungen anzustellen und dabei Ungarns Beitrag zur Weltgeschichte ins rechte (nicht selten ironische, weil von Zufällen, pragmatischen Karrierechancen geprägte) Licht zu rücken. 
Insgesamt ein äußerst sympathischer und einladender Zugang, denn es gibt offenbar noch vieles zu entdecken, wie etwa die touristisch vom Burgviertel vertretene Budaer Seite, die architektonisch streckenweise doch ein äußerst modernes Gepräge hat, und vieles bietet ja mehr als eine ordentliche Blamage, wie das verwahrloste Fotomuseum in Kecskemét oder das gastronomische Minenfeld von Budapest, oben auf das New York Kaffeehaus, das einer eigenständigen Karte wert wäre. Bei einigen Ungarnklischees, beispielsweise bei den Souvenirs und den Thermalbädern, merkt man allerdings, dass der Verfasser einigermaßen doch die Waffen strecken sollte, bei anderen aber, die mit neobarocken Nationalismen, wie etwa die Staatsfilme über die Urgeschichte der Magyaren, ein gefährliches Spiel treiben, fehlt es nicht an eindeutiger Formulierung. Was auf jeden Fall noch zu testen wäre, ist die ausbleibende Hymne auf den ungarischen Obstbrand pálinka, der angeblich der Konkurrenz aus der Wachau nicht stand halten kann – Kakanien ist eine österreichische Webseite, der Verf. heißt ehrlicherweise nicht Viktor Ivo, vielleicht findet sich da ein Kompromiss ...
Gerade jetzt, als zum zwanzigsten Mal ein Komitee zwecks Landeslogoerfindung zusammengetrommelt wird, ist dieser Baedeker mit den kurz begründeten Plus- und Minuspunkten sicherlich mehr als überlegenswert, und auch aus einer potenziellen Touristensicht eventuell nur insofern störend, weil man wahrscheinlich relativ viel googeln soll, um all den aufgelisteten Orten auf die Spur zu kommen, denn die mehrsprachige Internet-Orientierungshilfe, in der kakanien.ac.at lobend erwähnt wird!, ist dazu die einzige Quelle. Für Zum zweiten Mal in Budapest-Touristen aber sicherlich eine absolute Empfehlung.


Antworten

Budapest

A picture from the heydays of liberal Budapest - when a whole (though short) underground line could be built within two years. And M1, the famous "Földalatti", Budapest's yellow line, still works. I have never seen this image of the construction on Andrássy before, so be full of admiration - and I am not telling your where it is from...

The M1-line so is a memento to both: a liberal mayor (for what Budapest was capable of) and the Siemens company, who more than a hundred years ago was capable of producing faultless underground trams (not like today's Combino crap...)

Budapest has – together with St. Petersburg and Vienna – one of the largest tramway networks of the world. The tramway type "UV" – standing for "Új villamos - New tramway" and pictured above – was designed in the early forties and is still a symbol for Hungary's once high-tech railway-carriage industry. With the arrival of the new low-floor-trams in spring 2006 – built by Siemens in Vienna and not too beautiful – this landmark of Budapest will vanish from the cityscape.
György Petri: Imre Nagy

Du warst unpersönlich wie die anderen bebrillten Führer
im Sakko, deine Stimme war nicht metallen,
denn du wußtest nicht, was du eigentlich sagen solltest,
so unvermittelt den vielen Versammelten. Gerade das Plötzliche
war ungewohnt für dich. Du alter Mann mit dem Zwicker,
ich hörte dich, ich war enttäuscht.
Ich wußte noch nichts

vom Betonhof, wo der Staatsanwalt
das Urteil gewiß heruntergeleiert hat,
ich wußte noch nichts von der groben Reibung des Stricks, von der letzten Schmach.

Wer will sagen, was sagbar gewesen wäre
von jenem Balkon aus, Möglichkeiten, unter Maschinengewehren
verfeuert, kehren nicht zurück. Gefängnis und Tod
wetzen die Schärfe des Augenblicks nicht aus,

wenn der eine Scharte bekommen hat. Aber wir dürfen uns erinnern
an den zögernden, verletzten, unentschlossenen Mann,
der gerade seinen Platz zu finden schien,

als wir davon aufwachten,
daß man unsere Stadt zerschoß.

Übersetzt von Hans-Henning Paetzke

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