Call for Papers | Applications - Part 96

posted by PP on 2007/03/01 22:05

[ Call for Papers | Applications ]

Für das Forum junge Wissenschaft III zum Thema StreitKulturen (21.-25.11.2007 in Dresden) wurde ein Call for Papers (Deadline: 03.06.2007) lanciert. Das Forum wendet sich an Studierende, Promovierende und Postgraduierte der geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten. Mit dem forum wird langfristig das Projekt verfolgt, eine Schnittstelle zwischen spezialisierter Wissenschaft und interessierter Öffentlichkeit innerhalb eines nicht-akademischen Rahmens sowie an einem ungewöhnlichen Ort zu schaffen. Das forum findet im Dresdner Kulturverein riesa efau statt, dessen Interesse seit Jahren den verschiedenen kulturellen Aspekten von Kommunikation und Kommunikationskulturen gilt.
Skizzierung des forums im Wortlaut der Veranstalter:
Unter Streit könnte man zunächst eine fundamentale soziale Beziehung verstehen. Mindestens zwei Individuen oder auch soziale Gruppen setzen sich mit verbalen und/oder physischen Mitteln auseinander – miteinander oder auch gegeneinander. Die Auseinandersetzung ist demnach zum einen ein Ereignis der Differenzierung, zum anderen verfolgen Streitende nicht selten Strategien der Vereinheitlichung. Es wird versucht zu überzeugen, andere "auf Linie" zu bringen, in eine bestimmte Richtung zu drängen oder – in der Absolutsetzung der Differenz – zum Schweigen zu bringen, auszuschließen und damit implizit eine Einheit (mit sich Selbst) zu forcieren. Streit ist also nicht nur eine soziale Beziehung, sondern zielt immer auch auf die Reproduktion oder die Transformation von sozialen und politischen Ordnungen. "Streit [polémos] ist aller (Dinge) Vater, die einen erweist er als Götter, die andern als Menschen, die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien," formulierte Heraklit und schrieb mithin dieser konfliktuellen "Vergesellschaftungsform" (Georg Simmel) die grundsätzliche Bedeutung einer Voraussetzung und Bedingung des menschlichen Zusammenlebens und gesellschaftlicher Ordnung zu. So gefasst, eröffnet sich eine Reihe von Fragen: Was sind die Voraussetzungen von Streit? Wie entsteht er? Wer darf, wer kann sich streiten? Wer ist vom Streiten ausgeschlossen? Wie wird gestritten? Mit welchen Mitteln versucht man, den anderen, die anderen zu bewegen, ihre Position aufzugeben und die eigene anzunehmen? Worin liegt der Reiz des Streitens? Gibt es einen Eigenwert des Streits, einen Streit um des Streits willen? Gibt es einen Streit der bzw. um Werte oder ist nicht gerade der Wertebezug das Ende eines jeden Streits?
Mit "StreitKulturen" soll im forum junge wissenschaft über die skizzierten sozialen Aspekte hinaus die spannungsreiche Beziehung von "Streit" und "Kultur" in den Blick genommen werden. Die kulturellen und sozialen Dimensionen sind hierbei nicht oppositionell sondern vielmehr als (produktiv) auf einander verwiesen gedacht.
Zum einen soll nach den verschiedenen kulturellen Ausformungen des Streits gefragt werden; dies einerseits in historischer, andererseits in kulturell vergleichender Perspektive. Gezielt wird auf eine Synopse von Streitformen, von Streitkulturen. Damit eröffnet sich ein Feld, das sich beispielsweise vom Streit als Methode der Philosophie (auch in deren philosophiegeschichtlicher Nähe zur Gerichtsrede), über den Sängerstreit, über Polemiken und Dichterstreit(e) der Literaturgeschichte, wissenschaftliche Auseinandersetzungen (wie den Werturteilsstreit in der Soziologie oder den Historikerstreit) bis hin zu Formen des Wettstreits – also die an jeweils spezifischen Kriterien orientierte Kür des oder der "Besten", sei es nun im Sport, sei es als Wettstreit der Medien oder der Künste (bspw. im Paragone) – erstreckt. Im Sinne von "Generationskonflikten" wäre Streit auch als Widerstreit zwischen den Vorgaben der kulturellen Tradition und den Entwürfen kultureller Innovationen fassbar. Es lassen sich "kulturgeschichtliche Innovationsrhythmen und -zyklen" (Alexander Honold) erkennen; die Akteure solcher Streitformen betreiben etwa im Sturm und Drang, der Romantik oder dem Expressionismus eine Rhetorik der Ermächtigung als ein Streitgespräch zwischen Generationen.
Zum anderen soll es um die komplexen kulturellen Verfahren gehen, in denen politische und soziale Formen des Streit und dessen Folgen als Kultur gedeutet und unter den Bedingungen von Kultur verhandelt werden. Streit könnte in diesem Zusammenhang als eine kulturell reglementierte Form der Auseinandersetzung gefasst werden. Zu fragen wäre, mit welchen kulturellen Verfahren Streit geregelt wird – man könnte beispielsweise an politische Konzepte denken, wie das Stillstellen von Streitmöglichkeiten in Diktaturen oder die Kontroverse als Grundlage von Demokratie. Neben solchen innergesellschaftlichen und innerkulturellen Verfahren der Regelung des Streits sollen aber auch die interkulturellen Beziehungen in den Blick genommen werden, die in letzter Zeit vermehrt – wenn auch nicht unwidersprochen – mit der formelhaften Verdichtung eines "Kampfes der Kulturen" beobachtet werden. Rekonstruktionen seines Verlaufs, politikwissenschaftliche oder (kultur-) psychologische Analysen könnten hier zu einer kritischen Bewertung beitragen.
Schließlich soll mit "StreitKulturen" nach den (intentionalen wie nicht-intentionalen) politischen, wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Effekten, also nach den "Kulturwirkung(en)" (Max Weber) des Streits gefragt werden. Kann dem Streit eine solch fundamentale Rolle in der Reproduktion oder Transformation der gesellschaftlichen Ordnung zugesprochen werden, wie sie in der oben zitierten Formulierung Heraklits anklingt? Wie wirkt sich Streit aus? Was sind die Bedingungen für Nachwirkungen des Streits? Ebenso soll die ästhetische, historiographische oder auch wissenschaftliche Reflexion, die Auf- sowie Verarbeitung von Streit und dessen Folgen in den Blick genommen werden. So gesehen hätte man mindestens zwei Dimensionen für eine "Nachgeschichte" des Streits: einerseits seine materialen Folgen, andererseits seine reflexive Verarbeitung. Eine Nachgeschichte wäre dann ein eigener Aspekt einer Kulturgeschichte des Streits.
Fasst man Streit als Kultur, so stellt sich auch die Frage des Verhältnisses des Streits zu anderen Formen der Auseinandersetzung, wie Krieg oder Konflikt, nicht zuletzt aber auch zu gegenläufigen Konzepten wie der Verständigung oder dem Konsens. Inwiefern, so könnte man fragen, unterscheiden sich diese Auseinandersetzungsmodi und wo lassen sich Schnittstellen ausmachen? Mit welchen kulturellen Verfahren wird die Unterscheidung dieser Modi gesichert? Lassen sich Kulturen ausmachen, die keine Unterscheidung zwischen Konflikt, Streit und Krieg kennen? Ist Heraklits Rede vom Streit als "Vater aller Dinge" vielleicht eine frühe Fassung einer typisch okzidentalen Selbstbeschreibung, die auf andere Kulturen gar nicht zutrifft?
Und schließlich soll im Rahmen von "StreitKulturen" dazu angeregt werden, "Streit" von dessen Negation her zu denken: Gibt es eigentlich etwas Unbestreitbares?
Inhaltliches Ziel des diesjährigen forum junge wissenschaft ist es, eine Kultur- und Sozialgeschichte des Streits sowie dessen aktuelle und zukünftige politische Dimensionen auszuloten. Anhand verschiedener theoretischer und thematischer Ansätze sowie disziplinär heterogener Zugänge soll so eine allgemeine und – bei aller Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens – umfassende Perspektive auf dieses Phänomen gewonnen werden. Diese Zielstellung ist eng verknüpft mit der Form der Veranstaltung: Das forum junge wissenschaft will junge WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen in einem nicht-hierarchisierten Raum jenseits "klassischer" universitärer Formen einerseits miteinander und andererseits mit einer (nicht zwingend universitären) Öffentlichkeit ins Gespräch bringen, weshalb das forum zum einen aus internen Workshop-Runden und zum anderen aus öffentlichen Abendvorträgen besteht. Insofern geht es auch darum, über "Streit" zu streiten – mit anderen TeilnehmerInnen und mit dem Publikum: Neben der Rekonstruktion von Streitkonzepten wird also der Streit als Form der Generierung und Vermittlung von Wissen praktisch umgesetzt.

Das Forum:
Zehn junge Geistes-, Kultur- und SozialwissenschaftlerInnen aus Deutschland und Europa sollen die Möglichkeit erhalten, an vier Tagen in Workshoprunden ihre aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten oder laufende Projekte vorzustellen und miteinander zu diskutieren. Zum anderen besteht der Anspruch des forums darin, die Inhalte der Forschungen einem Nicht-Fachpublikum vorzustellen und nahe zu bringen. In öffentlichen Abendvorträgen erhalten die ReferentInnen die Möglichkeit, ihre Themen und Fachgebiete "publikumswirksam" zu präsentieren. Die Offenheit eines Kulturvereins, der außerhalb etablierter akademischer Strukturen arbeitet, soll auch dazu genützt werden, innerhalb des forum junge wissenschaft über Alternativen der Wissens- und Wissenschaftsvermittlung nachzudenken. Dies bedeutet für eine Teilnahme, dass die Abendvorträge dezidiert auf ein Nicht-Fachpublikum ausgerichtet sein sollen. Es geht also in der Vorbereitung um die Gratwanderung zwischen Wissenschaftlichkeit und Popularisierung, die eine besondere Herausforderung des forums ausmacht.
Mit einem kulturellen Rahmenprogramm mit Filmvorführungen, Konzerten und Party, das integraler Bestandteil des forums ist, soll nicht nur ein Raum der Entspannung, sondern vor allem einer der Möglichkeiten von Kommunikation zwischen Fachwissenschaft und nicht-fachwissenschaftlichem Publikum geschaffen werden.

Formalia:
Für die Bewerbung senden Sie bitte sowohl ein Abstract für einen Abendvortrag (max. 5000 Zeichen) als auch für einen Diskussionsbeitrag für die internen Workshoprunden (max. 2500 Zeichen) ein. Die Beiträge für die Workshoprunden und die Abendvorträge können durchaus thematisch identisch seien, aber es wird darum ersucht, dass jeweils unterschiedliche Problemhorizonte avisiert werden. Beiträge und Bewerbungen ausländischer Interessenten sind ausdrücklich willkommen. Die Reise- und Übernachtungskosten werden bei Genehmigung der beantragten Förderung übernommen. Eine Publikation ist geplant, kann aber nicht zugesagt werden.
Bitte senden Sie die Bewerbungen und eine kurze Information zur Person per email bis zum 03.06.2007 an Gunther Gebhard, Oliver Geisler und Steffen Schröter.


Antworten

Senior Editor

Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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