Von der Eigenmächtigkeit der Medien (III)
[ Medien | Media ]
Die Fragen, warum diese unterschiedlichen Medien jeweils Interesse auszulösen vermochten, und worin – abgesehen vom (auch printmedialen) Hype – die Anziehungskraft bestand, sich immer wieder mit den angebotenen Perspektiven auseinanderzusetzen, stellen nur eine Seite der Medaille dar. Die andere wäre die Antwort darauf, welche wahrgenommenen inhaltlichen Segmente tatsächlich Wirkungskraft entfalten konnten und warum sie das taten. Es handelt sich dabei wohl um Konstruktionen und Sinnsysteme sowie deren Verschränkungen, die je eigene Geschichten erzählen und jene cluster bzw. Raster der Wahrnehmung unterschiedlicher Quantität wie Qualität mitbedingen, die längerfristig Wirkung auszuüben vermögen. Kultur ist im Anschluss an Michel Foucaults Überlegungen als Summe der Mechanismen des Ein- und Ausschlusses, mithin der Selektionen, zu begreifen. Ein Medium (zweite abbreviative Definition) wird als Ensemble aus Technik, Praxis und Diskurs aufgefasst, als ein Dispositiv, das erst aus seinen jeweiligen Nutzungszusammenhängen heraus verständlich (gemacht) werden kann. Inwieweit sich dafür eine metaphorologische Herangehensweise als zweckdienlich erweist, wird aktuell etwa im Zusammenhang mit dem Distributions-/Konsumations-/Produktionstriangulum »Internet« in verschiedenen Studien beleuchtet.
Aber dies nur als Anmerkung im Sinne notwendiger Diskussionsstiftung. Die Frage steht: Warum erzeugen diese so unterschiedlichen Medien derartiges Interesse (bis heute) und worin besteht ihre Anziehungs- wie Wirkungskraft?
Anzunehmen ist, dass nicht ganze Einheiten (ein Film, eine Fotografie etc.) erfasst und im Rahmen der Ansprüche des Rezipienten (abgesehen vom Unterhaltungsbegehr), d.h. auch im Sinne tatsächlich effizienter »Komplexitätsreduktion« (Niklas Luhmann), zu- bzw. eingeordnet werden (können). Stattdessen werden – aufgrund der medialen Verfasstheit derartiger Kontexte – v.a. einzelne formatierte Muster abgerufen, die nicht für sich stehen bleiben und aufgrund ihrer Einbettung Relevanz gewinnen – auch für die Organisation kultureller Verhaltens- und Erinnerungsschemata. Die effektive Verschaltung im Sinne der ›Sinnstiftung‹ bzw. eines Erzählzusammenhangs erfolgt im Kopf des Rezipienten. ›Kultur‹, Resultat unterschiedlicher Eingriffe, Veränderungen und Prozesse, erweist sich somit auch in diesen Fragen stets als Vexierbild, als Polykontext, der kaum in so etwas wie Binaritäten sich auflösen lassen wird.
Ein Medium adressiert nicht von sich aus einen klaren und unzweideutigen Inhalt an einen Empfänger, vielmehr erfolgt der Einsatz der Mittel vor dem Hintergrund einer bestimmten Vermittlungsintention. Jedes Medium hat spezifische Qualitäten (haptische, visuelle, akustische,…) und daraus ergeben sich einerseits für sein Verständnis unhintergehbare kommunikative Formatierungsbestimmungen, daraus ergibt sich jedoch andererseits noch nicht zwingend ein Eigenleben desselben. Vielmehr stellen diese Eigenheiten Transmissionsriemen für Inhalte dar, die Kundige bzw. eine Institution anwenden und nutzen können.
Noch schwieriger wird es, wenn nicht hinreichend vorgebildete Rezipienten mit Informationsinteresse Medien konsumieren, die sie ja nicht einfach vorfinden und wählen können, sondern die ihnen samt Bedeutungszuweisungen vorgegeben werden; d.h. sie befinden sich sozusagen bereits in einem Gebäude, bevor sie noch eine Idee davon haben, was über dem Eingang geschrieben steht. Es ist jedenfalls von einer nahezu unhintergehbar effizienten, da nicht einfach auflösbaren Wirkungsweise von Medien auszugehen, die durch Umstände wie Krieg und spezifische Propagandamaßnahmen seitens verwaltungstechnischer, militärisch und kulturell ausgebildeter Medienoperateure nicht gerade einfach zu erklären sein wird. Natürlich funktioniert Propaganda niemals 1:1 so, wie Organisationen und Führungsebenen (so etwa im paradigmatisch heranzuziehenden Fall des KPQ) dies gerne darstellen. Dennoch erzielt sie breite Wirkung und wird überdies selbst zum Thema.
Als das eigentliche Phänomen dieses KPQ ließe sich somit benennen: seine systemisch angelegte Verbindung von Medien, die organisierte Verflechtung von Ereignishaftigkeit mit auslösenden Transmissionsriemen und damit Beeinflussung – bzw. gezielte Propaganda – dessen, was der Bevölkerung als Notwendigkeit des Krieges, als Überhöhung des ersten Krieges mit teils industriell-technologisch vorbereiteter Massentötung (Schützengraben, Giftgas, Tanks, Maschinengewehr etc.) deutlich zu machen befohlen war. Die klare Absicht umfassender Einflussnahme – die auch bedeutete, Geschichte zu machen, indem man sie für eine weitgehend alphabetisierte Bevölkerung mit höhergradiger medialer Erfahrung erzählen lässt –, der immense, durchgehaltene und sogar gesteigerte Organisationsgrad dieses Unterfangens sowie die gezielte Nutzung des bestmöglichen (und zu diesem Zeitpunkt erstmalig multimedial zu nennenden!) Medienverbunds waren zu diesem Zeitpunkt neu in der Geschichte. Dies ist vor dem Hintergrund des ersten großen Traumas der Moderne zu sehen; das KPQ begleitete mit und in seiner Arbeit einen sozialen und gesellschaftlichen wie politischen Umbruch ersten Grades, als dessen Markierungen eben auch Anfang und Ende des KPQ sich verstehen lassen.
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Senior Editor
(Weitere Informationen hier)
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
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