Gefallene Imperien und Träume
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H.o. wurde ja bereits auf das Symposion Der Fall der Imperien und der Traum einer besseren Welt verwiesen, nun gibt es auch einen Bericht davon auf den Seiten des Bundeskanzleramts zu lesen:
Sektionschef Dr. Manfred Matzka wies in seiner Begrüßung auf die zentrale Rolle des Bundeskanzleramtes als Koordinierungsstelle für die Bundesregierung hin. Das Bundeskanzleramt werde neben seinen Aufgaben gerade dort aktiv, wo Zuständigkeiten nach dem Bundesministeriengesetz keinem Ressort zuzuordnen seien. Aus diesem Grund habe sich das Bundeskanzleramt gerne bereit erklärt, dieses Symposion zur Erinnerung an den 90. Jahrestag der Ersten Republik zu veranstalten. "Als Nachfolgeorganisation der alten Staatskanzlei spüren wir diesen Kulturauftrag und handeln danach", so Matzka.
Fragen nach den Gründen für das Ende der Monarchie und dem Werden der Republik ging Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner in seinem Vortrag nach. Bedingten die Unzeitmäßigkeit des Nationalitätenkonstruktes, fehlende Reformen, der Krieg oder die Zerstörung von Außen den Zerfall des Vielvölkerreiches? "Die Summe aller dieser Krisen war nicht mehr bewältigbar. Der Krieg wirkte als Katalysator: Er brachte nicht – wie man auch hoffte – die Lösung der Probleme, sondern die Auflösung", so Rauchensteiner. Eine Folge des Zerfalls war jedoch die Heimatlosigkeit und der politische Interessenskonflikt, der mitunter gewaltsam geführt wurde. "Nachträglich sollte dem Krieg und dem Leiden Sinn gegeben werden. Aus den Schützengräben von Isonzo und Piave wurden die Schützengräben des latenten Bürgerkrieges", so Rauchensteiner.
In Österreich gab man sich anfangs Illusionen über die zukünftige Größe und den Umfang des neuen Staates hin, die Rückkehr zur Realität war jedoch zwingend, der Weg dorthin erwies sich als schmerzhaft. Auch wenn wirtschaftliche Kreise anfangs sehr positiv in die Zukunft blickten, suchte die Masse der Bevölkerung vor dem Hintergrund einer Versorgungskrise "Halt in einer aus den Fugen geratenen Welt." Bei den schwierigen Friedensvertragsverhandlungen erwies sich Staatskanzler Karl Renner als Idealbesetzung. "Er war flexibel und weltmännisch", urteilte Rauchensteiner.
Aber wie konnte der "Große Krieg", wie Engländer und Franzosen ihn nannten, überhaupt zu einem Weltkrieg werden? Prof. Dr. Hew Strachan sah eine "Summe von Krisen" im Sinne von "vielen regionalen Konflikten" sowie letztendlich den Eintritt Amerikas und den Ausbruch der Russischen Revolution, also das Jahr 1917, als entscheidenden Faktor für diese Entwicklung. Bereits vor 1914 war die Welt mit ihrem Zentrum Europa global und damit fragil geworden. Von Europa aus liefen die finanziellen, die wirtschaftlichen, die kolonialen und die imperialen Fäden rund um den Globus. Als Folge davon war jedes Land weltweit von den Auswirkungen dieses Krieges direkt oder indirekt betroffen.
Danach war nichts mehr wie es war. Doch damit schien Unmögliches möglich geworden, eine bessere Welt schien nicht Traum bleiben zu müssen. Dieser Krieg forcierte den kulturellen und politischen Umbruch, den Prof. Roger Griffin ein "neues Prinzip der Hoffnung" nannte. Eine Hoffnung, die utopische, radikale und totalitäre Ideologien, quasi als Abweichung vom scheinbar vorgegebenen Gleis, förderte und groß werden ließ. Brachte Österreich vor dem Ersten Weltkrieg großartige intellektuelle Leistungen hervor, so war es auf erschreckende Weise auch Nährboden für das genaue Gegenteil: Das Wien des fin-de-siècle bot das Umfeld, in dem Hitler groß geworden war. Gerade unter diesem Gesichtspunkt betonte Griffin die Wichtigkeit, dass Österreich den eingeschlagenen Weg weiter gehen, aber auch seine Geschichte und den Blickwinkel darauf neu überdenken solle.
"Der hoffnungsfrohe Neubeginn erwies sich jedoch nicht als stabilisierender Faktor. Die Zwischenkriegszeit war von einer zunehmenden Schwäche des parlamentarischen Systems gekennzeichnet", urteilte Prof. Dr. Hans Mommsen in seinem Vortrag über das Europa der Zwischenkriegszeit. Die in den Pariser Vororteverträgen festgelegten territorialen Lösungen trugen ihrerseits zur Instabilität bei. Dass sich Österreichs parlamentarisches System in diesem Umfeld verhältnismäßig lange behaupten konnte, lag an der "extremen finanzpolitischen Abhängigkeit vom Ausland." Gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Finanzkrise lasse sich ablesen, "wie groß die Abhängigkeit demokratischer Systeme von finanzpolitischen Entwicklungen und wie wichtig die Lösung sozialpolitischer Fragen sind", so Mommsen abschließend.
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Senior Editor
(Weitere Informationen hier)
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
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