Dem Freddie sein Ball
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(Dreieierlei vorweg: Es soll in Zukunft auch Gastbeiträge in diesem Weblog geben; die EURO 08 in Österreich und der Schweiz wird selbstverständlich auch in diesem Weblog "begleitet" werden; der Senior Editor bereitet gemeinsam mit Samo Kobenter derzeit eine umfangreichere Publikation zu besagtem Ereignis vor. Um dies entsprechend einzuleiten hier nun ein Beitrag zur Frage, wem der Fußball denn gehöre:)
Samo Kobenter: Dem Freddie sein Ball
Nicht, dass ich - wie mir unser Freund Doktor P. seit seinem Umstieg ins Klapsmühlengeschäft einzureden sucht - dem Aberglauben anhänge, früher sei alles besser gewesen. Aber einige Dinge wurden in meiner Kindheit doch deutlicher ausgesprochen, da brauchte man nicht groß nachbohren. Die Frage etwa, wem der Fußball gehört, hätte keiner von uns gestellt. Der Fußball gehörte dem Freddie, das war ganz klar.
Während wir anderen uns eine Dutzend Mal geflickte Wuchtel teilen mussten, unter deren rissiger Haut erbarmungswürdig die orange Gummiseele hervorlugte gerade wie das Innere eines aufgeschlagenen Seeigels, brachte Freddie die neueste adidas-Kugel unter die Leut’. Als die mit den schwarz-weißen Sechsecken modern war, hatte Freddie natürlich eine. Den ersten knallroten, kunststoffbeschichteten Ball sahen wir, außer im Fernsehen, unter Freddies Arm (Überflüssig zu sagen, dass bei ihm daheim auch der erste Farbfernseher der Gegend stand). Wenn Freddie in seinem Bayern-München-Dress Nr. 9 - dem einzigen übrigens im Viertel - auftauchte, scharten sich automatisch alle um ihn. Wer den Ball hat, macht die Regel, brachte uns Freddie schon damals das primitive Grundprinzip des globalen Fußballgeschäfts bei.
Er selbst gab, durchaus nicht ineffizient, auf dem Platz den Strafraumstürmer, der, ganz Gerd Müller für Arme, am liebsten im Fünfer angespielt wurde. Leider orientierte er sich konditionsmäßig an der Endphase des o’zwickten Bayern, sodass nach spätestens 30 Minuten die kärntnerische Auslegung der Goldregel in Kraft trat. „Jetz’ gemma faulenzen“, gab Freddie unvermittelt und unbeeindruckt vom Spielstand kund, nachdem er sich den Ball beim letzten erstandenen Pass geschnappt hatte. Und genoss, das blondgelockte Haupt im Schatten auf SEINEN Ball gelagert, von einer Meute Gleichaltriger umwinselt zu werden, die, hin- und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihn in den Arsch zu treten und der Gewohnheit, in diesen zu kriechen, um eine Fortführung des Spiels bettelte. Keine Ahnung, weshalb mir, wenn ich in den dafür zuständigen publizistischen Anmutungen den Stronachen, Abramowitschen, Blattern und Beckenbauern begegne, dem Freddie sein Ball einfällt.
(Den Disclaimer von wegen "Dr. P." sparen wir uns weitgehend, besagter Kollege weiß um seine Bedeutung fürs medizinische Ballestern und die also fachgerechte Behandlung von Platzwunden in der Notfallambulanz [cf. weiters hier wie da]. Zum eingangs angeschnittenen Buchprojekt demnächst mehr in diesem Theater.)
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Senior Editor
(Weitere Informationen hier)
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
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