Finale

posted by NP on 2008/06/30 11:54

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Nun ist es also vorbei, und seltsam, wie wenig Luft aus dem vermeintlich noch ganz prallen EM-Ballon entwich, als es gestern abend pff... machte und die deutsche Mannschaft belegte, daß sie zwar eine Turniermannschaft, aber kein Final-Player ist. Es war ein schönes Endspiel, weil Spanien unangestrengt und souverän zeigen konnte, daß sie das derzeit rundeste Team in Europa sind. Und es war ernüchternd, weil Deutschland einsehen mußte, daß es von diesem Niveau durch einen Klassenunterschied getrennt ist.

Denn auch wenn man das Tor des Tages als kleinen Lehmann-Lahmschen Abnwehrfehler und Löws Wechselpolitik als ungeschickt bezeichnen möchte, so war doch dauernd klar : Wenn das Tor nicht in Minute 30 fällt, dann halt in der 45., 60., oder 80. Den Paß, der vom Halbflügel zwischen den gegnerischen Außen- und Innenverteidiger hindurch in den Lauf eine Angreifers gespielt wird, beherrschen die Spanier in allen Lebens- und Spiellagen, und hätten sie nicht schon geführt, hätten sie halt zu einem späteren Zeitpunkt einmal abgezogen anstatt noch den Hackentrick durch die eigenen Schnürsenkel zu versuchen.

Auf der anderen Seite blieb alles weniger harm- als ratlos. Die einzige Gefahr, die sich Deutschland erspielen konnte, waren die in den vorangegangenen Spielen stets torführenden Schweinsteiger-Freistöße von halblinks; symptomatisch, daß sie gestern ins Leere flogen. Ansonsten hatte man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, daß einem deutschen Spieler ein Zuspiel einfallen könnte, mit dem die spanische Abwehr nicht schon rechnete. Fußball wird im Kopf gespielt, und nicht zuletzt dort waren die Roten gestern besser.

So klar und hilflos habe ich die Deutschen zuletzt 1982 ein Endspiel verlieren sehen, vielleicht noch 1992, als man die finalen 90 Minuten gegen Dänemark verschlief. Im Vergleich waren gestern immerhin die ersten 10 Minuten der ersten sowie die zweiten 10 der zweiten Halbzeit ansehnlich. Denkt man aber an gute verlorene Endpsiele wie 1966 oder 2002, dann fällt das gestern in seiner Einfalls- und Hilflosigkeit natürlich dennoch mächtig ab und zeigt, daß für die Nationalmannschaft doch das gleiche gilt  wie für die Bundesliga: Die Spieler sind okay, aber im internationalen Vergleich fehlen Leuten wie Lehmann, Metzelder, Klose und gestern auch Frings und Ballack die letzten 10%, die den Unterschied machen. Wer gesehen hat, wie Torres zuerst Mertesacker überspringt und dann im Laufduell gegen Lahm rechts um diesen herumläuft um den links rollenden Ball zu spielen, weiß was ich meine. Von Kuranyi (3 Fouls) und Gomez (1 Foul) wollen wir hier, höflichkeitshalber schweigen und nur noch einmal fragen, wer vor dem Turnier gesagt hat, Deutschland habe kein Problem im Sturm.

Was aber viel wichtiger ist: Europa hat endlich wieder einen verdienten Champion, denn nichts war schlimmer als vier Jahre lang Griechenland Europameister nennen zu müssen. Und Europa hat auch einen zumindest anständigen Vize, damit sollte Jogi Löw gut leben können. Vor allem aber hat Mittelosteuropa eine schöne Internetplattform, für deren Gastfreundschaft sich der Repräsentant des Vizeeuropameisters herzlich bedankt. 


Antworten

01 by PP at 2008/07/01 11:41 Bitte registrieren und/oder loggen Sie ein, um zu antworten

Erstmal herzlichen Dank für die schönen Blogs. Eine Fortsetzung zu anderen Themen (ob in Blog- oder Posting-Form) soll damit jedoch wahrlich nicht ausgeschlossen, sehr viel eher angeregt sein...

Zum zweiten: Es war eine großteils wunderschöne EM mit einer überwiegenden Zahl an guten bis herausragenden Spielen. Und der Titel ging würdig an die Spanier (was etwa in dem Moment, als Gomez [der Herr, der gegen Österreich in der ca. vierten Minute so gastgeberfreundlich aus drei Metern und völlig freistehend vergab] und Kuranyi - die personifizierten letzten deutschen Stürmerhoffnungen - am Platz standen, als tendenziell entschieden anzusehen war). Deutschland ist ein guter Vizemeister, hatte zumindest ein wirklich gutes Spiel - gegen Portugal - zu bieten gehabt. Und Löw wird nun eine neue Mannschaft aufbauen müssen. Augenmerk sollte dabei in erster Linie auf die Innenverteidigung sowie einen veritablen "6er" gelegt werden. Aber in Österreich hat man leicht reden. Die Entscheidung für einen neuen Teamchef steht an (und sie wird kaum unser Gefallen finden, denn es werden eher nicht Paul Gludowatz, Dietmar Constantini, Ivica Osim oder Volker Finke mit dem jeweiligen Assistenten Andreas Herzog für die Kür in Frage kommen), die Spieler müssen bis auf wenige Ausnahmen gerade im technischen Bereich und hinsichtlich des Spielwitzes deutliche Fortschritte machen, für die Qualifikation zur WM 2010 stehen mit Frankreich, Rumänien und Serbien (nicht zu vergessen: Litauen und Färöer-Inseln!) eher großkalibrige Kontrahenten am ballestrischen Speisezettel, es braucht zumidnest mittelfristig einen ernsthaften Ersatz für Ivica Vastic (den Andreas Ivanschitz bei allem Bemühen bislang nicht abgeben kann), die Stürmerfrage muss geklärt werden, ...

Was bleibt: Erinnerungen an beeindruckend gute Spiele, kluge Blogs des Kollegen Pethes, das Phänomen der weinenden Spieler, der Ausblick auf Polen/Ukraine 2012 (man hört, dass es erhebliche Probleme gibt).

Senior Editor

Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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