Europa | Europe etc. - Part 28
posted by PP on 2006/07/14 02:07
[ Europa | Europe etc. ]
Die (Re-)Formulierung nationaler Selbstbilder in postdiktatorischen Gesellschaften in Europa war das Thema eines Internationalen DoktorandInnenworkshops am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien (24.–26. Mai 2006). Die Publikation der Beiträge des Workshops ist in Vorbereitung, Katrin Hammerstein hat als Überbrückungshilfe schon einmal den Tagungsbericht vorgelegt (genauer gesagt stellt sich der Bericht als Koproduktion vor, den sie gemeinsam mit Regina Fritz, Birgit Hofmann, Julie Trappe und Katja Wezel verfasst hat).Den Ausgangspunkt des Workshops bildeten die historischen Brüche in der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, wie sie in der Überwindung der faschistischen und kommunistischen Diktaturen gegeben sind. Zu den vielgestaltigen Transformationsprozessen, die viele europäische Länder durchlaufen haben, gehört die (Re-)Formulierung der nationalen Selbstbilder als Identifikationsangebot nach innen und als Distinktionsmerkmal nach außen. Diese sollen vor allem das nationale Besondere, das Eigentümliche und Identitätsstiftende repräsentieren und bedienen sich daher meist spezifisch nationaler Geschichtserzählungen, Mythen und Legenden. Gleichwohl lassen sich in diesen Selbstbildern auch ähnliche Metaphern, Denkfiguren und dichotomisierende Sprachmuster wiederfinden.
Ziel des Workshops war es, die verschiedenen nationalen Selbstbilder und ihren geschichtspolitischen Einsatz auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu untersuchen. Weiterhin sollte danach gefragt werden, inwieweit sich nationale Selbstbilder im Prozess der europäischen Integration verändern und ob dies als Herausbildung eines neuen "europäischen Gedächtnisses" (Henry Rousso) zu interpretieren ist. [...]
Die Vorträge der Doktorandinnen und Doktoranden zeigten, dass sich hinsichtlich der (Re-)Formulierung nationaler Selbstbilder nach politischen Umbrüchen in europäischen Ländern zahlreiche Parallelen feststellen lassen. So findet nach dem Ende von Diktaturen häufig deren Externalisierung statt, begleitet vom Rückgriff auf nationale Traditionen aus der Zeit vor der Diktatur, und es kommt zu einer Polarisierung der Gesellschaft. Diese Polarisierung kann, wie sich des Weiteren zeigte, entlang unterschiedlicher Demarkationslinien verlaufen: Es finden sich klassische politische Pole ebenso wie ethnische, generationelle und geschlechtsspezifische Abgrenzungen. Die so entstehenden gesellschaftlichen Gruppen treten miteinander in Konkurrenz um das hegemoniale Geschichtsbild. Insbesondere in den osteuropäischen Staaten ist im Zuge dieses Kampfes um die Vergangenheit in den letzten Jahren vermehrt ein Vergleich bzw. eine Gleichsetzung des Nationalsozialismus mit dem Kommunismus zu beobachten, die mit der Eigenwahrnehmung als Volk von Opfern einhergeht.
Im Zuge der Abschlussdiskussion wurde auch der inflationär gebrauchte Rückgriff auf die Theoreme von Jan und Aleida Assmann bzw. Pierre Nora kritisiert. Es wurde zudem darauf hingewiesen, die wachsende Transnationalität von Geschichtspolitik stärker zu berücksichtigen und den Blick auf die Gender-Perspektive zu richten, auch wenn das Thema diese nicht offensichtlich impliziere. Ein weiterer wichtiger Faktor für die (Re-)Formulierung von nationalen Selbstbildern wurde mit dem Druck der EU-Beitrittsverhandlungen auf die osteuropäischen Staaten benannt, der diese zu einer kritischen Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit gezwungen habe.
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Senior Editor
Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
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Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
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