Erinnerung | Memory - Part 51

posted by PP on 2006/07/11 16:26

[ Erinnerung | Memory ]

Am 11./12. Juli 1995 wurden bis zu 8.000 Menschen von der Armee der so genannten Republika Srpska, Polizei und serbischen Paramilitärs, unter Führung von Ratko Mladić, in und um die Stadt Srebrenica ermordet.

László Darvasi: Ein Fußballplatz bei Srebrenica
(Aus: Ders.: Wenn ein Mittelstürmer träumt. Meine Weltgeschichte des Fußballs. Übers. v. László Kornitzer. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2006, p.56-57)

Die Erde, auf der du schreitest, auf der du weggehst und zurückkommst.
Die Mutter Erde, auf der du keuchend stehen bleibst, Atem holst, dribbelst und den Ball hochhältst, den Gegner täuscht und ihm den Ball abnimmst,
die Mutter Erde, auf die du nach einer falsch berechneten Grätsche stürzt, auf der du dich windest, liegenbleibst und spürst,
daß sie lauwarm ist und gut.
Iß von der Erde, sie ist gut.
Nicht weil sie gut schmeckt, sollst du davon essen, sondern weil es nichts anderes zu essen gibt.
Ende des 20. Jahrhunderts wird ein Junge aus Srebrenica einem österreichischen Radioreporter erzählt haben, wie sie ins Tal hinuntergetrieben wurden, in ein tief atmendes, breites Tal oder eher auf eine bekannte Lichtung, Grasgeruch und Lichtflecken, der Geruch des Grases wie vor einem Fußballspiel, so weit , so gut, nur daß sie...

 

 

... die Waffen an die holländischen Schlechtenbummler von Ajax, Feyenord und Utrecht abliefern mußten. Inventarnummer, Registrierung, da, der Platz auf dem Regal für den Karabiner und so weiter, er selbst habe seine Waffe einem Schlachtenbummler von Eindhoven ausgehändigt, und ein paar Tage später seien die Feinde angerückt. man habe sie zusammengetrieben. Da sei dieses Tal gewesen, ein malerisches Tal übrigens, eine Lichtung, die er kannte, und plötzlich hätten die Maschinengewehre zu bellen angefangen. Der tote Körper seines Schwagers sei senkrecht vor ihn gefallen, habe die Kugel vor seinem Körper aufgefangen und ihn gerettet. wer sich noch bewegte, habe eine Kugel in den Kopf gekriegt, sie seien umhergegangen, hätten beobachtet, ob sich noch was bewegte, und wenn einer nur erzittert wäre, hätte man ihm aus unmittelbarer Nähe in den Kopf geschossen.
Sie treten dich, du bewegst dich nicht.
Sie treten dich, du bist reglos wie ein ohnmächtiger Rasenmeister.
Du spielst Theater, ohne daß es Theater ist.
Der Abend senkt sich herab, du verharrst immer noch. Es ist Nacht, du rührst dich immer noch nicht, obwohl dich schon die Ameisen beißen, die Käfer zwicken, die Mücken stechen, die Tiere des Waldes dein Fleisch fressen, das getrocknete Blut, du rührst dich nicht, ißt von der Erde.
Und wenn du aufstehen darfst, wird es sogar richtig schön.
Die Erde, auf die du ausspuckst, wegen eines Schiedsrichters.
Du rotzt auf die Erde, dein Schweiß tropft. Du mähst den Rasen und starrst auf die Anzeigetafel. Beim Harken vor dem Tor findest du ein paar Stollen im Sand und denkst, daß sie genauso aussehen, als hätte man dem Torwart leere Patronenhülsen vor die Füße geworfen.

 


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Senior Editor

Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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