Bücher | Books - Part 86
posted by PP on 2006/07/12 02:15
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Zwei Bücher, deren Gemeinsamkeit allein in der Beschäftigung mit dem Thema Krieg zu finden ist, die aber dennoch beide eine je interessante Lektüre versprechen, wurden auf H|Soz|u|Kult rezensiert:- Gerhard Paul - Manuel Köppen: Das Entsetzen des Beobachters. Krieg und Medien im 19. und 20. Jahrhundert. Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2005 (Probleme der Dichtung 35), 414 pp.
[ISBN 3-8253-5019-3; EUR 58,00,-] - Henning Hoff - Bernd Greiner, Christian Th. Müller, Dierk Walter (Hg.): Heiße Kriege im Kalten Krieg. Hamburg: Hamburger Edition, HIS Verlag 2006, 514 pp.
[ISBN 3-936096-61-9, EUR 35,00,-]
Die "neuen Kriege" der Gegenwart, Deutschlands erster Waffengang nach 1945 auf dem Balkan 1999, die Angriffe auf die Twin Towers 2001 sowie der andauernde Krieg im Irak haben die Bilder des Krieges einmal mehr zum Thema so ganz unterschiedlicher Disziplinen wie der Geschichts- und der Medienwissenschaft, der Kunstgeschichte und der Politikwissenschaft werden lassen. Auch die Literaturwissenschaft hat sich in den letzten Jahren wiederholt dieses Gegenstandes angenommen, so nun auch Manuel Köppen [...].
Ausgangsthese und Ansatz formuliert der Autor gleich im ersten Satz seiner Arbeit in aller Offenheit und Klarheit, wenn er schreibt: "Wie Kriege waren, das können weder schriftliche Zeugnisse noch Bilder oder Filme vermitteln, aber sie zeigen, wie Kriege gesehen wurden." (S.1) In diese Sichtweisen sind für ihn kulturelle und nationale Realitätskonstruktionen, sich stets verändernde mediale Darstellungsschemata sowie die spezifischen technischen Darstellungsmöglichkeiten der Medien selbst eingeschrieben. Wie andere Autoren geht Köppen von der Annahme aus, dass die Entwicklung der Medien im 19. und 20. Jahrhundert nicht nur die Repräsentationsverhältnisse des Krieges veränderte, sondern auch die Produktionsverhältnisse des Krieges selbst. Für Köppen ist die Geschichte der professionellen Kriegswahrnehmung und Kriegsdarstellung Teil einer allgemeineren Geschichte der Wahrnehmungsorganisation und damit auch einer allgemeinen Medialisierung der Sinne in der Moderne. [...]
Als entscheidendes Problem der Untersuchung erweist es sich, dass der zentrale Begriff des Beobachters schemen- und empirielos bleibt. Wer waren diese Menschen? Wie beeinflussten soziale und nationale Herkunft sowie Geschlecht und Bildung die Berichterstattung? Für wen und in welchem Auftrag beobachteten sie den Krieg? Diese Fragen werden von Köppen nicht gestellt, bedürfen aber dringend der Klärung. Die Nichtberücksichtigung von Fragen wie diesen mag Ausdruck des von Köppen praktizierten diskursanalytischen Ansatzes sein. Es reicht eben nicht aus, nur über Diskurse zu reden; die technischen, organisatorischen und personellen Bedingungen der Diskurse müssen ebenfalls Gegenstand von Untersuchungen werden, zumal sie sich - wie Köppen selbst einleitend einräumt - zunehmend in die Diskurse über den Krieg selbst einschreiben.
Fazit: Gleichwohl ist Köppens konzise und materialreiche Studie eine wichtige Ergänzung der vorhandenen Forschung aus der Perspektive einer modernen Literaturwissenschaft. Sie erweitert unser Verständnis über die Berichterstattung des modernen Krieges und lenkt den Blick auf das gerade von Historikern noch wenig untersuchte Verhältnis von Krieg und Wahrnehmung.
Henning Hoff ad Bernd Greiner, Christian Th. Müller, Dierk Walter (Hg.): Heiße Kriege im Kalten Krieg:
Ähnlich wie bei der Erforschung des Kolonialismus, wo sich schon vor einiger Zeit zunächst der Blick von den Zentren auf die Peripherie verlagerte, bis schließlich, in Umkehrung der Perspektive, gewissermaßen "das Imperium zurückschlug", so hat sich auch die Geschichtsschreibung des Ost-West-Konflikts zwischen 1945 und 1989 neuerdings vom direkten Verhältnis der Supermächte und Europa als zentralem Schauplatz des Kalten Kriegs ab- und verstärkt anderen Regionen zugewandt – mit dem Ziel, ein genaueres Bild der gut 40 Jahre währenden "Teilung der Welt" zu erhalten.
Mit einer Reihe der in der so genannten Dritten Welt geführten "heißen" Kriege und ihrer Bedeutung im Kontext des Ost-West-Konflikts beschäftigt sich der von Bernd Greiner, Christian Th. Müller und Dierk Walter herausgegebene Sammelband, der auf eine Tagung des Hamburger Instituts für Sozialforschung (HIS) vom Mai 2004 zurückgeht. In 13 Fallbeispielen soll "in erster Linie die Qualität und Struktur der Konfliktlogik im Einzelfall" (S. 11) hinterfragt, also untersucht werden, welche Rolle die "Faktoren des Kalten Kriegs" im Verhältnis zu anderen Determinanten in den jeweiligen militärischen Auseinandersetzungen gespielt haben. [...]
Die in der "Wahrnehmung des Kalten Krieges [...] dominante Logik eines bilateralen globalen Konfliktes zweier nahezu monolithischer Blöcke aufzubrechen" (S. 11) ist das Hauptanliegen der Herausgeber. Diesem Anspruch wird der insgesamt anregende Band ohne Zweifel gerecht. Er steckt ein faszinierendes, für künftige Forschungen noch sehr umfangreiches Feld der internationalen Geschichte ab.
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Senior Editor
Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
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Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
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