Kroatien | Croatia

posted by PP on 2005/01/31 15:01

[ Kroatien | Croatia ]

Die APA meldet aus Brüssel, dass der EU-Kommission zufolge Kroatien diverse Bedingungen für Verhandlungen nicht erfüllt, somit die Aufnahme von Verhandlungen hinsichtlich eines Beitritts eventuell verschoben werden müßte. Gründe dafür sind, wie zu erwarten war, die Frage der Kriegsverbrechen und die lt. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn mangelnde Kooperation des Kandidatenlandes mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag (ICTY).
 

Die EU-Kommission droht Kroatien mit einer Verschiebung der für 17. März geplanten Aufnahme der Beitrittsverhandlungen. Grund dafür ist die fehlende Zusammenarbeit des Landes mit den Haager Kriegsverbrechertribunal (ICTY) im Fall des flüchtigen kroatischen Generals Ante Gotovina [diesem Wikpedia-Eintrag zufolge gibt es auch das Gerücht, dass er sich in Österreich aufhalte; Anm.], wie
EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn am Montag in Brüssel sagte. "Müsste die Kommission auf Grundlage der heute vorliegenden Informationen eine Empfehlung abgeben, so könnte ich die Aufnahme von Verhandlungen mit Kroatien nicht empfehlen."
Rehn sagte, er habe Informationen von der UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte "und anderen informierten Kreisen" wonach sich Gotovina in Kroatien oder Bosnien-Herzegowina aufhält. Der flüchtige General sei jedenfalls "im Zugriffsbereich der kroatischen Regierung". Die Regierung in Zagreb stehe indirekt in Kontakt mit Gotovina, damit dieser sich in Den Haag stelle, sagte der Kommissar.

 

Weitere Stellungnahmen bringen und ausführlicher informieren die Oberösterreichischen Nachrichten:
 

"Die jüngsten Informationen zeigen, dass Kroatien mehr tun könnte, um Gotovina ausfindig zu machen und zu überstellen", sagte der EU-Erweiterungskommissar. Er rief die Regierung in Zagreb auf, das Menschenmögliche zu unternehmen, um den flüchtigen General vor das UNO-Kriegsverbrechertribunal zu bringen. Er hoffe, dass dies noch rechtzeitig bis zum geplanten Verhandlungsbeginn am 17. März geschehe. Auf eine Verschiebung des Termins " müssen wir uns aber möglicherweise einstellen", warnte der Kommissar.
Über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen müssen die EU-Außenminister einstimmig entscheiden. Das Thema Kroatien werde bereits am heutigen Montag die EU-Außenminister bei ihrer Tagung in Brüssel beschäftigen, sagte Rehn. Unter den 25 Regierungen der Mitgliedstaaten sei die "Meinung geteilt" in Hinblick auf Kroatien, sagte der finnische Erweiterungskommissar.
Zeitgleich mit ihrer Warnung an die Regierung in Zagreb legte die EU-Kommission ihre Vorschläge für einen Verhandlungsrahmen mit Kroatien vor. Bei ernsthaften und dauerhaften Verstößen gegen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit können die Beitrittsverhandlungen demnach ausgesetzt werden. Statt bisher 31 Kapitel ist der Verhandlungsgegenstand in 35 Kapitel unterteilt. Damit soll den Anforderungen im Bereich Justiz- und Inneres sowie Menschen- und Grundrechte besser entsprochen werden, sagte Rehn. Auch wird die Landwirtschaft von veterinären und phytosanitären Fragen getrennt.
UNO-Chefanklägerin Carla del Ponte wird nach Angaben des Kommissars gegen Ende dieser Woche mit Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in Brüssel zusammenkommen, um diesen über die aktuellen Entwicklungen in der Zusammenarbeit der Westbalkan-Staaten mit dem Tribunal zu informieren.
"Wenn alles perfekt läuft", so Rehn, könnte Kroatien bis 2009 der Europäischen Union beitreten. Dieses Ziel sei "ehrgeizig, aber machbar". Neben der geforderten Zusammenarbeit mit ICTY müssten dann aber auch die anderen von der EU geforderten Anpassungen reibungslos verlaufen.

 

Das ICRC bzw. Phenyo Keiseng Rakate berichtete in der International Review of the Red Cross No. 840, p. 1037-1052, über die Operation Sturn/Oluja auf Knin.

Nachdem die EU-AußenministerInnen einstimmig für eine Aufnahme von Verhandlungen stimmen müssen, sind relativ spannende Gespräche auf diplomatischer Ebene zu erwarten - von denen wir wahrscheinlich wenig bis gar nichts mitbekommen werden. Nur: Ob Gotovina denen allen die Freude macht, sich jetzt, nach so vielen jahren, freiwillig zu stellen, darf einmal sanft bezweifelt werden. Wenn, dann gab es wohl ein Druckmittel der Sonderklasse, oder, um Marlon Brando zu paraphrasieren, wurde ihm ein Angebot gemacht, dass er nicht ablehnen konnte (“I made him an offer he couldn’t refuse.” [Und wer jetzt noch weiß, welches Angebot das war, kriegt nicht nur 100 Punkte und eine Gorenje, sondern ist auch in etwa über meine kläglichen Anspielungsversuche informiert.]).

Hier finden sich Informationen zu bisher unter Anklage stehenden Personen und Fällen vor dem ICTY.

Und hier noch der Verweis auf einen aktuell online gegangenen Kommentar von Adelheid Wölfl im Standard. Also hart rannehmen und zeigen, wie das in der EU so gemacht wird. Nur: Was soll passieren, wenn keine sanften Erpressungen sich anwenden lassen?


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Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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