Ukraine - Part 19
[ Ukraine ]
Lindner, Rainer: Unternehmer und Stadt in der Ukraine, 1860 - 1914. Industrialisierung und soziale Kommunikation im südlichen Zarenreich. Konstanz: Universitätsverlag 2006, 556 pp.
[ISBN: 3-896-69609-2; EUR 49,00,-]
wird von Kerstin Susanne Jobst (Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg) auf H|Soz|u|Kult rezensiert, wobei deutlich wird, dass es sich beim genannten Buch weniger um eine wirtschafts- als vielmehr um eine kulturgeschichtliche Arbeit handelt, in der es darum geht, eine "Kulturgeschichte sozialer Ordnung" vorzustellen, "in der zum einen die Handlungsräume der auch im Zarenreich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen sozialen Gruppe der Wirtschaftsbürger ausgelotet werden sollen" und andererseits zum Ziel gesetzt wird, dass "deren Kommunikationsformen, die Prozesse von Integration und Desintegration sowie deren Symbolwelten aufgezeigt werden". Kurz:
Der Terminus "Symbol" in allen seinen Facetten – insbesondere unter Aufgreifung des Bourdieuschen symbolischen Kapitals – ist somit der zentrale operationale Begriff in dieser Arbeit.
Das kann dann auch recht schnell wie folgt sich darstellen:
Den selbst gesetzten Anspruch, die Symbolwelten der Wirtschaftsbürger im Kontext des Obrigkeitsstaats zu analysieren, setzt Lindner konsequent um. Allerdings rücken zuweilen die pragmatisch begründeten Inszenierungen und Handlungen dieser Gruppen zugunsten des Strebens nach symbolischem Kapital zu sehr in den Hintergrund. Auf diese Weise wird oft alles symbolisch, es gibt zahllose "Symbolwelten", "Symbolbrüche" und "Symbolkrisen".
Dennoch, so Jobst: "Insgesamt liegt eine überzeugende, auf der Grundlage einer breiten Quellen- und Literaturbasis ausgeführte Arbeit vor." Um einige Fragestellungen anzuschließen:
"Das Zarenreich ging an der ökonomischen Rückständigkeit, an den Folgen verspäteter Modernisierungsoffensiven und den entfesselten sozialen und ethnischen Differenzen zugrunde", so Lindners fast apodiktisches Fazit. Es ist zu fragen, ob diese Entwicklung wirklich eine unausweichliche war. Sowohl im Hinblick auf das als modern bezeichnete britische Weltreich als auch das ja zumindest als relativ rückständig geltende Habsburgerreich stellt die Forschung mittlerweile auch andere Fragen, nämlich wieso diese Imperien überhaupt so lange existierten und welchen Anteil (zumindest bei der Donaumonarchie) der Erste Weltkrieg am Zusammenbruch hatte.
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Senior Editor
(Weitere Informationen hier)
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
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