Medien | Media - Part 64

posted by PP on 2006/10/19 02:56

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Ein weiterer von dutzenden informativen Panel- und Sektionsberichten zum Historikertag, die alle auf H|Soz|u|Kult zu finden sind, so eben auch der von Eva Maurer über Der Krieg um die Bilder 1941-2005: Mediale Darstellungen des "Großen Vaterländischen Krieges" der Sowjetunion (Sektionsleitung: Beate Fieseler).
Noch immer heißt der Zweite Weltkrieg in der Russischen Föderation "Großer Vaterländischer Krieg", und wer in den letzten Jahren einmal während der Gedenkfeierlichkeiten rund um den 9. Mai in Moskau weilte, fühlte sich auch in anderer Hinsicht an frühere Zeiten erinnert: Spruchbänder über den Straßen und Militärparaden auf dem abgesperrten Roten Platz lassen den Eindruck aufkommen, dass (nicht nur) das offizielle organisierte Gedenken des Siegestages immer noch - oder wieder - bewusst an die Tradition der sowjetischen Festinszenierung anzuknüpfen sucht. Wie die Organisatorin der Sektion Beate Fieseler (Ruhr-Universität Bochum) eingangs hervorhob, ist der 'Große Vaterländische Krieg' als "ungebrochener Erinnerungspunkt" ins postsowjetische Russland überführt worden und dient wie kein anderes Ereignis als positives Integrationsmoment für das ganze Volk. Diesen Status hatte der Krieg spätestens in der Brežnev-Zeit (1964-1984) erreicht, wobei das Bild oder vielmehr die Bilder des Krieges bis heute ständiger Neu- und Weiterproduktion unterliegen. Umso begrüßenswerter war es daher, dass die Sektion zu den "Bildern des Krieges" den Geschichtsbildern und medialen Repräsentationen von 1941 bis in die neueste Gegenwart nachging, um beispielhaft und (im wahrsten Sinne des Wortes) bildlich die vielfachen historischen wie aktuellen Dimensionen dieses Ereignisses aufzuzeigen. [...]
Deutlich zeigte sich, dass nach dem Verhältnis der privaten Erfahrung zur offiziellen Erinnerung nicht nur in Texten, sondern auch in Bildern gesucht werden muss. Wie sehr auch offizielle und/oder populäre visuelle Muster und Normen die Selbstwahrnehmung und Identitätskonstruktion sowjetischer Bürger prägten, und wie sich diskursive und visuelle Muster zueinander verhielten, sind Fragen, die nicht nur die Referenten weiter beschäftigen werden. Als zweiter wichtiger Strang mehrerer Sektionsbeiträge stellte sich die Suche nach 'Normalität' heraus, die zu einem erweiterten Vergleich des Umgangs mit dem Kriegsgedenken und der Suche nach 'Normalität' in anderen Ländern Europas führen kann, und darüber vielleicht auch mehr Licht auf die spezifisch 'sowjetische Normalität' nach dem "Großen Vaterländischen Krieg" werfen mag. Der Krieg besaß, wie aus der Summe der Beiträge deutlich wurde, durch seine Inszenierung als zentraler Erinnerungspunkt aller Sowjetbürger unfreiwillig eine erhebliche Sprengkraft, weil die Diskrepanz zwischen millionenfacher individueller Erinnerung und normiertem Gedenken auf Dauer nur mühsam und unter Zwang überbrückt werden konnte.

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Senior Editor

Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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