Medien | Media - Part 51

posted by PP on 2006/07/28 17:43

[ Medien | Media ]

Zwei längere Essays zu den Möglichkeiten und jedenfalls Veränderungen (ob nun größer oder kleiner eingeschätzt), die aufgrund Neuer Medien anstehen bzw. bereits im Gange sind:
  • Robin Meyer-Lucht knöpft sich für den Virtualienmarkt des Perlentaucher unter dem Titel "Das Prinzip Search - Mathias Döpfner und die Zukunft des Journalismus" einen Text des Axel-Springer-Verlagshauses Chefs (erschienen in der Welt) vor.
  • Gero von Randow stellt in der Zeit die "Die Eine-Milliarde-Dollar-Frage", die da lauten soll: "Wird der klassische Autor im Internet durch Schreibkollektive ersetzt?"
Von Randow befindet zum Schluss hin aus seiner Sicht ganz klar:
In dieser Diskussion schwingt viel unreflektierter Technikdeterminismus mit. Die Mediengeschichte stützt ihn nicht. Schon der Buch- und Zeitungsdruck erzwang keineswegs die eine oder andere Form der Öffentlichkeit. Kardinal Richelieu beispielsweise, der den französischen Nationalstaat formieren wollte, ließ in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts das regierungsamtliche Wochenblatt Gazette erscheinen und konnte daher auf die politisch immer etwas unsicheren Versammlungen der Generalstände als Proklamationsort verzichten. Doch ebenso gut wurden Zeitungen später zu Instrumenten von Oppositionen aller Art. Das Internet weist diese medientypische Amöbenhaftigkeit in noch viel höherem Maße auf, denn Computertechnik ist prinzipiell flexibel. Alles, was programmiert wird, kann auch umprogrammiert werden. Vereinzelung oder Gruppenbildung, Eindimensionalität oder Vielschichtigkeit sind nicht in der DNA des Internet angelegt. Ebenso wenig das Ende des Journalismus oder ein neues Zeitalter demokratischer Debatte. Techniken der Kommunikation erweitern immer nur den Möglichkeitsraum; erst der Kampf der Interessen verengt ihn zur Wirklichkeit.
Die gegenwärtige Diskussion über das Ende der Autorschaft hat übrigens Vorläufer. Als der Buchdruck sich durchgesetzt hatte, war ein Buch nur mehr ein Stück Massenware für jedermann. Ein Umstand, der noch im späten 17. Jahrhundert keinen Geringeren als Leibniz über die "schreckliche und stets wachsende Menge von Büchern" klagen ließ, die das Ende der Autorenrolle nach sich ziehen werde.
Zwei Jahrtausende davor überlieferte Platon die pessimistische Kulturkritik am phonetischen Alphabet, dem das Erinnern aus eigener Kraft und damit die Weisheit zum Opfer fallen würde. Die Menschen, die das Wissen herumtragen könnten, würden dadurch zu "Scheinweisen".
Und wie überlieferte Platon diese Kritik? Mit Hilfe von Buchstaben. Und woher wissen wir von dem Autor Leibniz? Aus Büchern. Allein 20 Werke von und über Leibniz sind derzeit bei Amazon verfügbar, seine Monadologie hat den bemerkenswert hohen Verkaufsrang 9050 – das neue Medium stützt das alte.

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Senior Editor

Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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