Fundstücke | Finds - Part 37
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Polen (heute in seinem zweiten WM-Vorrundenspiel auf Deutschland treffend) möchte Initiativen gegen den wissenschaftlichen brain drain setzen, berichtete vor einigen Tagen derStandard.at. Leider wird in dieser Übernahme eines APA-Artikels nichts von Maßnahmen berichtet, die über eine mit EU-Geldern gestützte Gehaltserhöhung hinausgehen. Und damit sollen "insbesondere Teleinformatiker und Bio- und Nanotechniker" nicht nur gehalten, sondern sogar "zurückgeholt" werden?Ein nicht unwesentliches Problem bei der Abschätzung des stattgefunden habenden sowie des fortlaufenden brain drain besteht darin, dass ganz erhebliche Diskrepanzen zwischen den "offiziellen" Zahlen (d.h. jenen, die seitens der Ministerien – falls überhaupt – kolportiert werden) und jenen, die in Interviews und Umfragen genannt werden, bestehen: Teilweise werden die "realen" Zahlen als bis zu 100 Prozent höher eingeschätzt – da derartige Statistiken aufgrund ihrer politischen Sprengkraft nur sehr bedingt zugänglich sind, lassen sich nur Vermutungen anstellen; die veröffentlichten Zahlen wären jedenfalls dramatisch genug). So wäre etwa der Anteil der AkademikerInnen am brain drain für Bulgarien, Bosnien und Albanien auf bis zu 50 Prozent anzusetzen.
Allen dennoch (denn welches Land will schon offensiv seine Probleme mit dem brain drain diskutieren, kommt dies doch dem Eingeständnis eines Versagens gleich?!) zu erhaltenden Daten folgend muss doch als mindestens so wichtig wie die Gehaltsfrage jene infrastruktureller Defizite angeführt werden. Die Rückkehr führender WissenschafterInnen nach mehrjährigen Auslandsaufenthalten erfolgt zumeist erst dann, wenn sie im Rahmen entsprechender Abkommen die Grundausrüstung für die Fortführung ihrer Forschungsarbeit mitnehmen können oder – in den meisten Fällen – zugesprochen bekommen, in weiterer Folge eigene Laboratorien aufbauen/einrichten können. Obendrein arbeiten WissenschafterInnen gerne in erfolgreichen Teams - ein weiterer Kostenfaktor.
Wesentlich fehlt in den meisten der neuen EU-Staaten wie den Beitrittskandidatenländern und den Ländern Südosteuropas (Griechenland nehmen wir hier aus) eine investitionsfreudig gestaltete Ansiedlung von Unternehmen, die ihre Niederlassungen nicht nur als verlängerte Werkbänke verstehen, sondern hier auch Labors einrichten, sich an Forschungsprogrammen beteiligen oder gar diese offensiv in Gang bringen. D.h. auch, dass noch so erfreuliche Gerüchte und selbst deren Umsetzung für sich allein noch wenig bringen, solange Grenzen in erster Linie als hochtechnologisierte Abschottungsaufgaben begriffen werden.
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Senior Editor
(Weitere Informationen hier)
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
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