Veranstaltungen | Events - Part 83

posted by PP on 2006/04/21 04:01

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Klingt nach einer nicht zufälligen Koinzidenz, ist jedoch eine schlicht ohne weiteres Zutun sich ergeben habende: Wolfgang Muellers vorgestern publizierte Rezension [.pdf] zu dem Band
Hannes Leidinger, Verena Moritz: Gefangenschaft, Revolution, Heimkehr. Die Bedeutung der Kriegsgefangenenproblematik für die Geschichte des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa 1917-1920. Wien et al.: Böhlau 2003, 754 pp.
trifft sich mit einem Jour fixe-Vortrag [.pdf] der KKT am kommenden Mittwoch:
Carmen Scheide (Basel): Erinnerung und Lebenswelt. Gedächtnisgeschichte und Alltag in der Sowjetunion während und nach dem Zweiten Weltkrieg aus kulturwissenschaftlicher Sicht. 26.04.2006, ab 15:00 Uhr im Hauptgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Ignaz Seipel Platz 2, 1010 Wien
Im geplanten Vortrag möchte ich mein derzeitiges Forschungsprojekt über Erinnerungsmuster und Erinnerungsvorgänge an den Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion vorstellen. Methodische Grundlage sind kulturwissenschaftliche Überlegungen zum Umgang mit Gedächtnis und Erinnerung. Ausgehend von Maurice Halbwachs’ Schriften gibt es verschiedene Modelle, die vom Bestehen eines kollektiven oder auch kulturellen Gedächtnisses ausgehen, dass individuelles Erinnern präge. Es wird zwischen diesen Gedächtnisformen ein Zusammenhang angenommen, allerdings ist in der Forschung bislang noch wenig darüber bekannt, wieweit sogenannte kulturelle Erinnerungen das individuelle Gedächtnis im Prozess der Erinnerung jeweils beeinflussen, und ob nicht auch umgekehrt individuelles Erinnern einen Einfluss auf kulturelle Speicher haben kann. Meines Erachtens können kulturelles und individuelles Erinnern jeweils nur als Idealtypen definiert werden, um bestimmte Deutungen, Wahrnehmungen oder Lesarten herauszuarbeiten. Da es für das Kollektiv keinen organischen Speicherort gibt, betrachte ich es vor allem als eine Erinnerungsgemeinschaft, in der sich bestimmte Erinnerungsmuster wiederspiegeln, die nicht identisch sein müssen.
Auf individueller Ebene erscheint Erinnern als ein bewusster oder unbewusster Prozess, wie er in zahlreichen Selbstzeugnissen zu finden ist, als ein Vorgang zur Sinnbildung von fragmentarischen Gedächtnisbildern, der immer auch von der sozialen Wirklichkeit mitbestimmt wird. Erinnern findet in der Regel nicht abstrakt statt, sondern nur in einem selbst, verläuft also über bestimmte Bilder und Orte, die teilweise durch Medien unbewusst oder bewusst abgerufen werden können.
Mein Forschungsgegenstand sind Kriegserinnerungen in der Sowjetunion, die bis heute in Form von öffentlichen Ritualen und Traditionen eine nationale Bedeutung besitzen, obwohl die Sowjetunion bereits vor 15 Jahren aufgelöst wurde.
Geht man von zahlreichen, sehr unterschiedlichen, kontroversen und heterogenen Erfahrungen während des Krieges aus, so stellen die offiziellen Gedenkmuster nur einen kleinen Teil des Krieges und diesen zudem in sehr positivem Licht dar. Sucht man nun nach den aus einem offiziellen Kanon ausgeblendeten Themen, können individuelle Zeugnisse zur Rekonstruktion weiterer Aspekte des Kriegserlebens und –verarbeitens Aufschluss geben. Für die Rekonstruktion von Erinnerungsprozessen untersuche ich nicht nur den Einfluss offizieller Erinnerungen auf individuelle, sondern auch umgekehrt. Kann man für die Sowjetunion annehmen, dass Individuen offizielle Erinnerungen mitprägten, etwa durch "Gruppengedächtnisse"? Falls ja, wie lässt sich das nachweisen? Und was heißt das für unser Verständnis der Sowjetunion als einem totalitären Staat in Bezug auf das Verhältnis von Individuum und System, umfassende Kontrolle, Zensur, Partizipationsmöglichkeiten, Protestformen, Anpassungsstrategien und der Wirkungsmacht von Ideologie?
Der Mensch ist gleichzeitig Individuum und als Teil von Kollektiven sozial geprägt. Über die Annäherung an die Lebenswelt eines Akteurs oder einer Akteurin versuche ich in diesem komplexen Interaktionsfeld sowohl etwas über die betreffende Person als auch exemplarisch etwas über kollektive Prozesse zu erfahren.

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Senior Editor

Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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