Cultural Studies - Part 17
posted by PP on 2006/04/19 12:12
[ Cultural Studies ]
Peter Burke: Was ist Kulturgeschichte? Übers. v. Michael Bischoff. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2005.erfährt auf H|Soz|u|Kult eine ausführlichere Rezension von Wolfgang E.J. Weber, die sich auch als kritische Würdigung verstehen lässt, jedenfalls von einem durchaus lesenswerten Buch handelt.
Denn:
Wenn einer der international renommiertesten Historiker am Ende seiner aktiven Berufslaufbahn eine Abhandlung über das von ihm maßgeblich mit geprägte Fachgebiet vorlegt, verdient dies immer besondere Beachtung. Erst recht ist Aufmerksamkeit geboten, wenn es sich bei der in den Blick genommenen Disziplin um einen so kontrovers diskutierten Fall wie denjenigen der Kulturgeschichte handelt.Schlussendlich gelangt Weber zu dem Resümee:
Zweifellos: Hier ist einem Meister ein souveräner Entwicklungsüberblick und eine bedeutende Standortbestimmung seines Fachgebiets gelungen, ohne dass er hegemoniale Ansprüche erheben würde. Die häufige, ausdrückliche Deklaration der Sichtweisen und Argumente als persönlich lässt kritische Anmerkungen zusätzlich problematisch erscheinen. Einige seien dennoch genannt, anknüpfend an dem von Burke vielfach betonten Tatbestand, dass es sich auch bei der Kulturgeschichte um einen endlosen Diskurs handelt, der nur durch kritischen Austausch vorangebracht werden kann. Hinsichtlich der Auswahl der erörterten Ansätze und Themengebiete erstaunt das Fehlen der Mediengeschichte. Entgegen der eigenen Programmatik nicht wirklich umgesetzt erscheint die Berücksichtigung der wechselnden Quellen, welche die Kulturgeschichte ja in einem weit breiteren Spektrum als die allgemeine Geschichtswissenschaft heranzieht – neben Text und Bild auch das Objekt sowie die Sekundärformen Ensemble und Interview. Zudem bleibt der beabsichtigte Bezug zu den externen, insbesondere sozialen Bedingungen kulturhistorischen Kenntnisbedarfs etwas auf der Strecke; wie derartige Impulse von den Kulturhistorikern aufgenommen und als wissenschaftliche Deutungsangebote zurückgegeben werden, lässt Burke weitgehend unklar.Peter Burke selbst endet (p.184 der gebundenen Ausgabe) mit einer Positionierung hinsichtlich Teilen der Vorgeschichte des Fachbereiches bzw. seines Ansatzes und einem erhofften Ausblick auf Künftiges:
Schließlich erstaunt die lediglich beiläufige Erwähnung desjenigen Objektbereichs kulturhistorischer Forschung, der für eine professionelle Bilanz doch besonders attraktiv sein müsste – also des Wissens, der Wissenschaft und der Universität. Von den weitreichenden Implikationen des konstruktivistischen Ansatzes für die Vorstellung wissenschaftlicher Wahrheit oder der Existenz einer wissenschaftlich eruierbaren 'einen' Wahrheit abgesehen: Die Kulturhistorie am Ende auf sich selbst anzuwenden, etwa den Kontext des auf S. 13 geäußerten Bedauerns darüber zu erläutern, dass zahlreiche Arbeiten unter anderem zur Frühen Neuzeit unberücksichtigt bleiben mussten, "darunter auch viele, die von Freunden [...] stammen", hätte dem Band einen zusätzlichen, kritischen Mehrwert verschaffen können.
Das modische Interesse an der Kulturgeschichte war für Praktiker wie mich selbst eine angenehme Erfahrung, aber wir wissen natürlich, daß Moden in der Geschichte nicht lange anhalten. Früher oder später wird es eine Gegenreaktion, eine Gegenbewegung gegen "Kultur" geben. Wenn es soweit ist, werden wir alles tun müssen, um sicherzustellen, daß der historische Erkenntnisgewinn der letzten Zeit - das Ergebnis der als "kulturelle Wende" bezeichneten Hinwendung zur Kultur - nicht verlorengeht. Historiker und vor allem empiristische oder "positivistische" Historiker litten früher unter der Krankheit der Buchstabengläubigkeit. Viele von ihnen hatten keinen Sinn für Symbole. Viele von ihnen behandelten Dokumente als durchsichtige Quellen und achteten kaum auf deren Rhetorik. Viele von ihnen taten menschliche Aktivitäten wie das Segnen mit zwei oder drei Fingern [...] als "bloße" Rituale, als "bloße" Symbole, als unwichtige Dinge ab. In der letzten Generation haben Kulturhistoriker und Kulturanthropologen die Schwächen dieses positivistischen Ansatzes aufgezeigt. Welchen Weg die Geschichtswissenschaft in Zukunft auch einschlagen mag, eine Rückkehr zu dieser Buchstabengläubigkeit sollte es nicht geben.Und Burke möchte (p.12) hinsichtlich der jahrzehnte seiner Arbeit
gerne mit Edith Piaf sagen: "Je ne regrette rien".Die Lektüre des Buches wird für LeserInnen vermutlich ein sehr ähnliches Resultat erbringen.
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Senior Editor
Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
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Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
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