Bücher | Books - Part 89

posted by PP on 2006/07/19 11:55

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Britta Lange: Echt, Unecht, Lebensecht. Menschenbilder im Umlauf. Berlin: Kadmos 2006, 272 pp. (Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis im .pdf)
[ISBN 3931659-81-X, EUR zw. 22,50,- (D) u. 23,20,- (A)]
mag vielleicht nicht gerade einen Preis für den aussagekräftigsten Titel abholen, inhaltlich dürfte sich das Buch jedoch allemal sehen lassen. Schon aus eigenen Interessen [.pdf] heraus ("(K)Ein Mohr im Hemd. Aschantis in Budapest und Wien, 1896/97") wie auch mit Verweis auf eine hier [.pdf] publizierte Fallstudie von Angelika Jacobs ('Wildnis' als Wunschraum westlicher 'Zivilisation'. Zur Kritik des Exotismus in Peter Altenbergs Ashantee und Robert Müllers Tropen) ist es mehr als erfreulich, wenn die Fragen nach Ethnographica, "echten" Fremden, exotistischen settings und der Sehsucht weiter und also vertiefend gestellt werden.
Lange geht von der Geschichte eines Hamburger Familienunternehmens (der Umlauffs), das zwischen 1868 und 1925 mit Modellen und Stereotypen fremder - d.h. als exotisches Anschauungsmaterial im Sinne eines etwas grob geschnitzten Darwinismus Marke Eigenbau dienender - Menschen handelte.
Während der deutschen Kolonialzeit und darüber hinaus dienten die "Menschenbilder" zu Ausstellungszwecken aller Art. Eine Hamburger Händlerfamilie mit dem Namen Umlauff stellte sie her – nach zeitgenössischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den herrschenden ästhetischen Standards der Naturtreue. Das Wirtschaftsunternehmen wies seine Menschenbilder als "lebensecht" aus. Von dieser Konstruktion profitierte auch die aufstrebende deutsche Wissenschaft vom Menschen. Anhand von "Völkertypen" begründete die Anthropologie ihre eigene Seriosität – und nicht zuletzt das eigene "Echte" der Deutschen.

Anhand dieser Geschichte über drei Epochen (Kaiserreich, Weltkrieg, Weimarer Republik) lässt sich Lange zufolge
nachvollziehen, wie sich das Verhältnis von Wirtschaft und Kommerz, Wissenschaft und Bildung, von kulturellen und technischen Menschenbildern, von den jeweiligen Präsentationsmedien und der Forderung nach "Echtheit" bzw. "Lebensechtheit" formierte und veränderte.

Die Umlauffs produzierten Stereotypen und Klischees im doppelten Sinn – kulturelle vom "Anderen" und technische für die unbegrenzte Reproduktion identischer Kopien.

Die Buchpräsentation findet am 20. Juli 2006 ab 20.30 Uhr statt (Buchhandlung "Pro qm", Alte Schönhauser Straße 48, D-10119 Berlin), Lange wird u.a. Ausschnitte aus drei frühen Filmen von Fritz Lang - "Die Spinnen" (1919), "Der müde Tod" (1922) und "Kriemhilds Rache" (1924) - zeigen, für die die Firma Umlauff "exotische" Ausstattungen und Statisten beschaffte und völkerschauartige Szenen choreografierte.

http://www.kakanien.ac.at/static/files/31033/lange_kadmos.gif


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Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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