Veranstaltungen | Events - Part 21

posted by PP on 2005/04/09 16:14

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"Erinnerungen, selbst wenn sie ins Breite gehen, stellen nicht immer eine Autobiographie dar." - notierte Walter Benjamin in seiner Berliner Chronik, was jedoch Luisa Tasca in ihrem Vortrag am Montag (11. April 2005 um 18 Uhr c.t.) im Wiener IFK (Reichsratsstraße 17, 1010 Wien), Autobiographie als historische Quelle, nicht unmittelbar miteinbeziehen muss.
Den heiklen Aspekt dieses Themenkomplexes hat Peter Burke hinreichend mit der Feststellung umrissen, dass Memoiren und verwandte Gattungen "keine unschuldigen Erinnerungen enthalten, sondern eher Überredungsversuche sind, die aufgeschrieben wurden, um das Gedächtnis anderer zu modellieren.".
Für Lucia Tasca stellt sich die Ausgangsfrage wie folgt (nähere informationen auf der entsprechenden Site des IFK):
Die historische Quelle Autobiographie soll in diesem Vortrag unter zwei Gesichtspunkten untersucht werden: Zum einen soll die Besonderheit der Autobiographie des 19. Jahrhunderts, zum anderen die Besonderheit der italienischen Autobiographie herausgearbeitet werden. Das Bewußtsein einer Divergenz zwischen sozialer Person und Selbstwahrnehmung ändert sich im Laufe der Geschichte, und die Autobiographie des 19. Jahrhunderts ist zwischen zwei Momenten der Infragestellung der Möglichkeit, sein eigenes Leben zu verewigen, im 18. und 20. Jahrhundert zu verorten. Von der italienischen Autobiographie hieß es in der Literatur bislang, sie tendiere zur Außendarstellung und zum Realismus, das intellektuelle und professionelle Ich käme daher besonders zum Ausdruck. Es soll hier nun um eine Darstellung der Morphologie der italienischen Autobiographie des 19. Jahrhunderts gehen, wobei insbesondere untersucht werden soll, inwieweit individuelle Lebensgestaltung und soziale Bindungen Eingang fanden, ob es sich eher um konforme oder außergewöhnliche und von der Norm abweichende Lebensläufe handelte.
Schließlich soll die Quelle unter thematischen Gesichtspunkten untersucht werden: Was wird für berichtenswert gehalten? Wie muß ein Leben ausgesehen haben, um in einer Lebensbeschreibung festgehalten zu werden? Was darf erzählt werden, und was wird verschwiegen? Die Untersuchung der Autobiographie beleuchtet die Möglichkeiten, der Welt Sinn zu verleihen, signifikante Selbstdarstellungen zu schaffen, und konfrontiert den/die HistorikerIn mit der Problematik, daß einzelne und individuelle Erlebnisse generelle und soziale Kategorien in Frage stellen können.

Hinzu kommen dann noch so "Kleinigkeiten" wie die Frage nach der Relevanz des "autobiographischen Paktes" à la Philippe Lejeune, der etwa von Paul de Man nachdrücklich als inexistent zu erweisen versucht wurde (diese Rede sei schlichtweg eine ungenügende Metapher). De Man wies dagegen darauf hin, dass es sich bei der Autobiographie um "keine Gattung oder Textsorte, sondern [um] eine Lese- oder Verstehensfigur" handle, "die in gewissem Maße in allen Texten auftritt", dass die Identitätsstiftung, um die es vorgeblich ginge, somit aufgrund der Trope gegründet sei. Allein anhand dieser, der Prosopopöie, wären autobiographische Texte als solche zu bestimmen.

Es bleibt spannend ...


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Senior Editor

Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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