Kulturbegriff

posted by ush on 2009/03/17 10:57

[ Geisteswissenschaften ]

Georg Simmel ist längst schon zu einem nichthintergehbaren Klassiker der Kulturtheorie und der Raumtheorie geworden. Nicht nur deutschsprachige Arbeiten und Einführungen in die genannten Disziplinen, auch englischsprachige Reader führen Simmel sozusagen in der ersten Reihe als Basis für spätere Entwicklungen.

István Féhér hat in der Theorie-Abteilung kürzlich seinen Beitrag zu Simmels Kulturbegriff und der "Tragödie der Kultur" veröffentlicht, in welcher er Simmels Kulturtheorie in die seinerzeit anstehenden Überlegungen zu Bedeutung und Wertigkeit von Kultur einordnet. Er siedelt sie dabei

[a]uf etwa halbem Wege zwischen affirmativer Kulturphilosophie und der Kultur gegenüber negativ eingestellter Kulturkritik oder gar befremdlicher Kulturfeindlichkeit

zwischen Psychologismus und Positivismus/Biologismus an. Kulturprodukte sind Äußerungen der Seele als der Natur auf dem Weg zu sich selbst, wobei ihre kulturellen Produkte ein Eigenleben entwickeln. Kulturelle Formen scheinen auf Grund ihrer Festigkeit als etwas Eigenes auf, als Beständigkeiten, die dem Lebens- und Schaffensprozess der Seele entgegenstehen.

Hier droht, Kultur und ihre Posivität zur Sackgasse für das Subjekt zu werden. Ebendiese Eigendynamik macht Simmel als die "Tragödie der Kultur" aus. Der Lösungsansatz, der sich für Simmel und in dessen Rezeption auch für Martin Heidegger anbietet lautet: Hermeneutik. Die Praxis der neuerlichen Sinnzuteilung und Selbstvergewisserung steht so nicht innerhalb der Kultur, wird aber von ihr und ihrer tragödischen Verfassung mitproduziert.

Féhér hat keinen einfachen Beitrag geliefert, sondern eine Analyse und ein Zusammenlesen zunächst ganz unterschiedener und differenter Ansätze und Denkrichtungen, die eine mehrmalige Lektüre verdienen. Seine eigene Vorgehensweise, wie überhaupt der gesamte Band Kultur in Reflexion, dem er entstammt, steht gleichfalls "auf etwa halbem Wege" zwischen gegenwärtiger Kulturwissenschaft, Wissenschaftsgeschichte und exakter Philologie. Eigenwillig, teilweise spröde, aber durchaus Gewinn bringend.


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Einblicke in Editor's Welt. Interessiert an Geisteswissenschaften, staunend über Medien, Tendenz zum Bizzarren, vor allem in der Literatur. Über Anregungen, Kritiken, Kommentare freuen sich Usha Reber (editor@kakanien.ac.at und János Békési (webmaster@kakanien.ac.at).
The workshop Balkan Studies - quo vadis? is held on April 25, 2009.

Venue: HS, Inst. Slawistik, AAKH / Campus
The programme is to be found here, the abstracts are available as Balkan Studies 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, and as pdf.
Ort: HS, IOG, AAKH, Spitalgasse 2, 1090 Wien
Zeit: 2. bis 4. April 2009
Veranstalter: IOG, Kk.rev
Funding: Fritz-Thyssen-Stiftung, Köln

Programm, Abstracts (.pdf)
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