Nachgedanken zu den Open-Access-Tagen in Berlin

posted by ush on 2008/10/11 21:06

[ Accessibility | Open Access ]

Ich bin immer noch recht gesättigt von den anregenden und hervorragend organisierten Berliner Open-Access-Tagen, die food for thought boten. Die Tagung war in der Tat eine Grundlagenveranstaltung, die solide und aktuelle Information über Open Access in Hochschulpolitik, Rechtslage, Wissenschaftsalltag, Science-Management, Bibliotheks- und Verlagswesen bot. Ergänzt wurden diese Basisinformationen durch Workshops, in denen ExpertInnen mit den TeilnehmerInnen Strategien von Management, Qualitätssicherung, Vermarktung, Programmierung etc. erarbeiteten und diskutierten.

Die utopischen und demokratischen Ziele von Open Access, wie sie im vergangenen Workshop von Kakanien revisited durchaus immer wieder angesprochen wurden, der demokratische Impact, den die Open-Access-Bewegung haben kann, spielte hier allerdings keine Rolle mehr.

Deutlich und ernüchternd zeichnete sich für mich eine Tendenz ab, die Privilegien des Wissens und der Sichtbarkeit nicht neu zu verteilen, sondern mit erneuerter Macht zu institutionalisieren. Was neu verteilt wird/ist, sind Kompetenzen, wie sich in einer plötzlichen Open-Access-Freundlichkeit der klassischen Verlage zeigt.

Die Finanzierung von Open-Access-Journals und Repositorien wurde zurückhaltend diskutiert. Tenor angebend war die Praxis der naturwissenschhaftlcihen Beispiele, bei denen sich die Institutionen die Veröffentlichung von Discussion Paper und Final Article viel Geld im Modell des Autor-zahlt kosten lassen.

Die sozialwissenschaftlcihen Beispiele bestanden auf einer annähernden Nullsummenrechnung, bei der EditorInnen und GutachterInnen unentgeltlich, allenfalls gegen geringes Honorar arbeiten. BibliothekarInnen wiederum sehen die Anfüllung von instutseigenen oder fakultätseigenen Repositorien als neues Aufgabenfeld.

Beides ist für die Lage in den Geisteswissenschaften (und den Sozialwissenschaften) inakzeptabel. Inakzeptabel im Sinne der Honorierung von Leistung und Arbeit, inakzeptabel im Sinne der Aufrechterhaltung des Status quo an überhaupt verfügbarer Arbeitskraft, die auf diese Art wiederum nur bereits etablierte und angestellte WissenschaftlerInnen erübrigen können. Für den umfangreichen und zu größten Teilen nicht angestellten Nachwuchs bedeutete dies erneut bei geringem Gehalt unbezahlte Mehrarbeit, teils auf Kosten eigener Forschung.

Diese Fragen wurden nicht diskutiert; sie sind ein Desiderat meinerseits, die sich im Zusammenhang mit Politik und Wissenschaftspolitik ergeben, die allein nach kostengünstigen und schnellen Erfolgsmodellen sucht, aber die tiefer gehende Umstrukturierung des Zugangs, der Verteilung und der Produktion von Wissen eher aufhält. Stattfinden wird sie ohnehin, diese Umstrukturierung, aber meines Erachtens könnte man ihr weniger misstrauisch und weniger "etabliert" begegnen.


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Einblicke in Editor's Welt. Interessiert an Geisteswissenschaften, staunend über Medien, Tendenz zum Bizzarren, vor allem in der Literatur. Über Anregungen, Kritiken, Kommentare freuen sich Usha Reber (editor@kakanien.ac.at und János Békési (webmaster@kakanien.ac.at).
The workshop Balkan Studies - quo vadis? is held on April 25, 2009.

Venue: HS, Inst. Slawistik, AAKH / Campus
The programme is to be found here, the abstracts are available as Balkan Studies 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, and as pdf.
Ort: HS, IOG, AAKH, Spitalgasse 2, 1090 Wien
Zeit: 2. bis 4. April 2009
Veranstalter: IOG, Kk.rev
Funding: Fritz-Thyssen-Stiftung, Köln

Programm, Abstracts (.pdf)
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