Theatralität

posted by ush on 2008/05/28 16:50

[ Geisteswissenschaften ]

Ein großes Unternehmen fand mit der Konferenz Staging Festivity, Figurationen des Theatralen, veranstaltet vom Forschungsverbund "Theater und Fest in Europa. Zur Inszenierung von Identität und Gemeinschaft" der FU Berlin und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im März 2008 statt. H-Germanistik verschickte einen ausführlichen Konferenzbericht, aus dem ich einen in kakanischem Kontext interessanten Zusammenhang herausgreife:

Martin Baumeister (München) beschäftigte sich in "Theater und Metropolenkultur um 1900" gleichsam mit der Vorgeschichte zum Thema seiner Habilitationsschrift über "Kriegstheater", in der er Kriegserfahrung, Propaganda und Selbstmobilisierung der deutschen Gesellschaft anhand des Berliner Theaters untersucht hatte. Der Historiker zeigte, wie sich das theatrale Angebot der Hauptstadt in der Zeit des Kaiserreichs zu einem Massenmarkt ausweitete und wie sich das Medium Theater vor diesem Hintergrund veränderte. Um sich dem komplexen und sich ständig wandelnden Berliner Unterhaltungsmarkt nähern zu können, illustrierte Baumeister seine Ausführungen anhand von Einzelbeispielen (u. a. Walhalla-Theater). Er beschrieb das Theater als "Seismograph und Spiegel" der Transformation des städtischen Lebens, aber auch als Akteur in einem intermedialen Austauschprozess, der an der Entstehung eines neuen städtischen Publikums beteiligt war.

Während sich Baumeister auf das Theater als öffentliche Institution und Medium konzentriert hatte, untersuchte der Historiker Tobias Becker (Berlin) in "Staging Modernity. Populäres Theater in Berlin und London um 1900" das Geschehen auf der Bühne. Becker ging der Frage nach, wie die drei um 1900 wohl populärsten Bühnengenres Revue, Operette und Musical Comedy die Moderne - verstanden nicht als künstlerische Bewegung, sondern als transnationaler, soziokultureller Transformationsprozess - inszenierten. Becker untersuchte den Umgang des populären Theaters mit der Moderne anhand der Inszenierung von Technik (Flugzeug und Schreibmaschine), Massenkonsum (Warenhaus und Werbung) und neuen Geschlechterrollen. Auf dieser Grundlage argumentierte er, dass das populäre Theater, sich selbst als modern verstehend, die Moderne überwiegend positiv porträtiert habe. Dadurch habe das Theater, Beckers Deutung zufolge, Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen vermittelt und somit einen Beitrag zur gesellschaftlichen und individuellen Anpassung an die Moderne, zur "inneren Modernisierung" geleistet.

Beendet wurde die Sektion durch einen Vortrag des Theaterwissenschaftlers Henri Schoenmakers (Erlangen/Nürnberg), der unter dem Titel "Das Medium ist die Massage" theoretische Überlegungen zu Medialität, Theater und Fest anstellte. Schoenmakers betonte die Notwendigkeit körperlicher Anwesenheit für die Herstellung eines Festes. Während Filmvorführungen auf Festen eher unüblich seien, ließen sich doch viele Beispiele für die enge Verbindung von Festen mit Theater, Opern- oder Tanzaufführungen finden. Schoenmakers erklärte dies durch den live-Charakter, der sowohl Theater als auch Fest auszeichne, und durch den sich das Theater besonders als Bestandteil von Festen eigne. Anhand von verschiedenen historischen Beispielen machte der Theaterwissenschaftler deutlich, dass gerade diese Beziehung besonders fruchtbar und spannungsreich sei. Er kam zu dem Schluss, dass die Medien, je mehr sie sich zur "emotionalen Massage" eigneten, umso besser geeignet seien sich mit Festen zu verbinden.
 


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Einblicke in Editor's Welt. Interessiert an Geisteswissenschaften, staunend über Medien, Tendenz zum Bizzarren, vor allem in der Literatur. Über Anregungen, Kritiken, Kommentare freuen sich Usha Reber (editor@kakanien.ac.at und János Békési (webmaster@kakanien.ac.at).
The workshop Balkan Studies - quo vadis? is held on April 25, 2009.

Venue: HS, Inst. Slawistik, AAKH / Campus
The programme is to be found here, the abstracts are available as Balkan Studies 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, and as pdf.
Ort: HS, IOG, AAKH, Spitalgasse 2, 1090 Wien
Zeit: 2. bis 4. April 2009
Veranstalter: IOG, Kk.rev
Funding: Fritz-Thyssen-Stiftung, Köln

Programm, Abstracts (.pdf)
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