Montenegro
Anlässlich der Publikation meines letzten Aufsatzes zu Montenegro erhielt ich eine sehr freundliche Zuschrift von einer Kollegin, die meinen Artikel mit Gewinn gelesen habe. Dies freut mich natürlich außerordentlich - Wen würde dies nicht bestätigen? -, wirft aber zugleich für mich selbst erneut die Frage nach dem Fokus des gesamten Unternehmens "Montenegro durch Reber" auf.
Die Studien beschäftigen mich als die üblichen Altlasten verzögerter Publikationspraxis in den Geistes- und Kulturwissenschaften immer noch, begeistern und befeuern mich jedoch nicht mehr. Jene Publikationen aufzubereiten, zu überarbeiten etc. hat etwas von Pflichtübung.
Umso schöner war es natürlich, erneut und für mich vollkommen unerwartet, diese positive Zuschrift zu erhalten. Auf den zweiten Blick brachte mich ebenjene Zuschrift ins Nachdenken, die ganz speziell und dezidiert Montenegro als tatsächliches Land und real existierende Kultur Bezug nahm. Bereits zu früheren Zeitpunkten erhielt ich ähnliche Zuschriften, die mehr oder minder äußerten, dass meine Arbeit wesentlich für das Verständnis der montenegrinischen Mentalität seien.
Das aber nagt an mir, denn beabsichtigt ist eine solche Tendenz nun nicht. Es stimmt mich bedenklich, dass das Bild entstehen könnten, ich würde so etwas wie montenegrinische Masculinity Studies betreiben. Gender und Masculinity spielt natürlich in meinen Textanalysen eine gewisse Rolle, da die textuellen Kulturprodukte, die ich vorliegen habe, sich sehr an Bildern von Patriarchalität und ihren Tugenden ausrichten.
Ein Grundproblem aller kulturwissenschaftlichen Forschung bricht hier akut für mich auf: Wie können die Grenzlinien zwischen Erfahrung, Fiktion und Überlieferung/Habitus so markiert werden, dass die Fragwürdigkeit der internen Autorfunktion und meine eigene als Forscherin sichtbar und verständlich wird? Wie könnte man verständlich verdeutlichen, dass Realität und Wirklichkeit fragile Gebilde sind und dass die abstrakte Arbeit an einem Raum Montenegro eine ganz andere als jene kollektiver oder individueller Bedürfnisse und Erfahrungen sind?
Eine Lösung habe ich nicht. Als Verfasserin und als Forscherin bin ich nicht abseits dieser Wechselwirkungen von Beschreibung, Konstruktion und Bestätigung. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass weniger meine eigener Fokus auf Raumkonstruktionen, für die ich an Stelle von Montenegro auch andere Staaten und Gesellschaften zu Grunde legen könnte (freilich nicht mit denselben Ergebnissen), weniger zur Kenntnis genommen werden, als die Verflechtungen von Masculinity/Gender-Konstruktionen, Identitätsbildung, Mentalitätsmythos, deren Aufdröselungen zu einer neuen dichten Verknüpfung geführt werden.
Ein Versuch, damit umzugehen, ist dieses Posting als Selbstkommentar. Ob ich nach diesen Grübeleien, Selbst-, Sprach- und Diskurszweifeln einen Weg finden werde, anders zu denken und anders zu schreiben, steht in den Sternen.
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