Veranstaltungen | Conferences - Part 70

posted by usha on 2007/10/14 12:16

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Das Initiativkolleg "Kulturen der Differenz. Transformationen in Zentraleuropa" veranstaltet kommenden Donnerstag eine Podiumsdiskussion zum Thema Neue Zukunft – Neue Vergangenheit(en)? Zentraleuropäisches Gedächtnis nach 1989 (Programm asl PDF hier). Der Einladungstext lautet wie folgt:

Erinnerungs- und Gedächtnisforschung verdanken ihre ungebrochene Aktualität sowohl einem abgrenzbaren und definierten Gegenstandsbereich, als auch der Tatsache, dass hier individuelle und soziale Prozesse in wechselseitiger Vermittlung stehen. Aleida und Jan Assmann haben ausgehend vom Konzept des kollektiven Gedächtnisses von Maurice Halbwachs verschiedene Gedächtnisformen ausdifferenziert, von denen für diesen Workshop das kulturelle und kommunikative Gedächtnis zentral sind.

Das kulturelle Gedächtnis definiert Jan Assmann als „Sammelbegriff für alles Wissen, das im spezifischen Interaktionsrahmen einer Gesellschaft Handeln und Erleben steuert und von Generation zu Generation zur wiederholten Einübung und Einweisung ansteht.” Das kulturelle Gedächtnis existiert zum einen in der Potenzialität der Archive, Bilder, Texte und zum anderen als Aktualität, in der Verwendung von gespeicherten Inhalten je nach Gegenwartsinteressen.

Das kommunikative Gedächtnis dagegen kennt keine Fixpunkte, sondern entsteht in der interaktiven Praxis der Vergegenwärtigung von Vergangenem durch Individuen und Gruppen. Eine Fixierung der Inhalte dieses Gedächtnisses ist nur durch kulturelle Formung zu erreichen.

Mittlerweile hat das Phänomen des kulturellen Gedächtnisses die Produktion einer breiten Literatur ausgelöst. So sind fast enzyklopädische Werke entstanden, die Erinnerungsorte im metaphorischen Sinne identifizieren und nationalspezifisch zu beschreiben vermochten (vgl. Pierre Noras Les lieux de mémoire, Etienne François' Deutsche Erinnerungsorte). Es hat sich aber auch eine Theoriebildung entwickelt, die die Wirkung eines einheitlichen Selbstbildes hinterfragt. Hier wird betont, dass sich das kulturelle Gedächtnis durch diskontinuierliche und brüchige Formen konstituiert und von Rissen sowie krisenhaft empfundenen Emergenzen durchkreuzt ist (Vittoria Borsò).

Darüber hinaus wird besonders das Verhältnis von Medium und Form untersucht, da es erst das Wissen über die Vergangenheit produziert. Das Gedächtnis braucht nicht nur Speichermedien, sondern Formen, die die Aufbewahrungs- und Stiftungsfunktion erfüllen. Parallel dazu hat sich aus zeithistorischer und politikwissenschaftlicher Perspektive eine Analyse des Gedächtnisses entwickelt, die auf die intentionalen Steuerungsversuche kultureller Erinnerung aufmerksam macht. Die Forschung zum Verhältnis zwischen Geschichte und Gedächtnis geht primär von der Geschichte des Holocaust und den Aporien seiner Historisierung aus.

Thematischer Ausgangspunkt des Workshops sind die radikalen Veränderungen Zentraleuropas nach dem Systemwechsel von 1989. Der Zusammenbruch des europäischen Sozialismus hat nicht nur eine neue Zukunft, sondern auch eine neue Vergangenheit eröffnet (vgl. Holm Sundhaussen). Der Umgang mit der Vergangenheit in ehemaligen sozialistischen Ländern musste sich aufgrund einer neuen Zukunftsvision entsprechend verändern. Die Nationalismen, die nach dem Kalten Krieg entstanden sind, sind vom Verhältnis von Globalisierung, Nationalidentität, Geschichte und Gedächtnis dominiert. Die Aufhebung eines autoritären Vergangenheitsbildes aus sozialistischen Zeiten hat zum einen zur Pluralisierung der Geschichtsbilder geführt, zum anderen aber zu einer verstärkten Suche nach der Stunde Null der Nationalgeschichte. Innerhalb der Region Zentraleuropa zeichnet sich dazu eine neue Erinnerungskonfliktlinie ab, die zwischen Gesellschaften, für die der Holocaust den negativen Gründungsmythos der Nachkriegszeit darstellt, und jenen, die vor allem die Erinnerung an kommunistische Repression pflegen, verläuft.

Workshopstruktur
Den Auftakt der Veranstaltung bildet eine öffentliche Podiumsdiskussion im Haus Wittgenstein in Zusammenarbeit mit dem Bulgarischen Forschungsinstitut in Österreich.
DiskutantInnen sind neben zwei Mitgliedern der Faculty des IK (Doz. Dr. Heidemarie Uhl, Doz. Dr. Wolfgang Müller-Funk) Prof. Dr. Holm Sundhaussen und Prof. Dr. Vittoria Borsò, zwei international renommierte ExpertInnen auf dem Gebiet der geschichts- und literaturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung.
Beide ExpertInnen werden auch den am Folgetag stattfindenden Workshop leiten. Bei diesem werden zunächst in zwei eineinhalbstündigen Blöcken Fragen zu thematisch relevanten Texten, die in einem Reader zur Verfügung gestellt werden, diskutiert, um dann im zweiten Teil Lösungsansätze für die sich daraus ergebenden Probleme – auch in Hinblick auf die Dissertationsvorhaben der TeilnehmerInnen – zu entwickeln.


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