Bücher | Books - Part 25
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Norbert Frei publiziert in der Online-Ausgabe von Die Zeit eine Rezension zu Aleida Assmanns neuestem Buch "Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik" (C.H. Beck 2006).Die Rezension fällt insgesamt gesehen nicht gerade positiv aus. Im Grunde genommen bleibt außer der Einleitung, die in groben Zügen die langjährige Gedächtnisforschung des Paares Assmann/Assmann verfolgt, kaum eine positive oder neutrale Aussage übrig.
Frei hält fest, dass Jan und Aleida Assmann den Gedächtnisbegriff, "einer deutschen Wissenschaftstradition folgend, nicht zuletzt begrifflich ausdifferenziert [haben]". Nicht zu Unrecht wird genau diese Wissenschaftstradition in ihrer teil naiv anmutenden Ausformung im neuen Werk kritisiert. Frei kritisiert die "große Flughöhe" der Argumentation, die mit einer Vernachlässigung "historische[r] Sachverhalte und geschichtliche[r] Zusammenhänge" einhergehe.
Mir scheint, dass die Kritik tatsächlich eine bestimmte Form europäischer oder vielmehr deutschsprachiger Wissenschaftstradition (und nicht unbedingt Aleida Assmann speziell) gelten könnte, die nach wie vor im Spannungsfeld zwischen allgemein gültigen und darüber hinaus moralisch 'wahren' und verbindlichen Aussagen und einer weniger involvierten, sich aus der Wertung zurückhaltenden und empirisch-soziologisch/kulturwissenschaftlich motivierten Betrachtungsweise steht.
Es scheint logisch, dass Frei mehr Orientierung vom Gedächtnisdiskurs erwartet, der sich mit Opfernarrativen, kollektiver Erinnerung anhand von Vertriebenen und Holocaust und Drittem Reich beschäftigt. Dies legt offenbar auch der Duktus von Assmanns Buch selbst nahe, löst es aber in der Trennung von kollektiver, durch Tabus zu steuernder, und individueller Erinnerung ohne Restriktionen nicht ein.
In einem vorläufigen Fazit bleibt zu überlegen, ob sich Erinnerung, die eine instabile Angelegenheit ist, begrifflich festlegen lässt, oder nicht eher in ihren narrativen Grundlagen nachzuzeichnen ist. Dies aber hat mit Aleida Assmanns Buch nicht mehr viel zu tun, das nichtsdestotrotz durch Eigenlektüre einer genauen Betrachtung zu unterziehen wäre. Ich denke, dass sich bei der Pionierin des differenzierten deutschsprachigen Erinnerungsdiskurses zahlreiche Ansätze zur kritischen Weiterentwicklung bieten.
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