Gender - Part 13
[ Gender ]
Die Koedukation ist gescheitert, so titelte derstandard.at am 30. März 2005...Und tatsächlich: Seit einigen Jahren werden vermehrt Stimmen unter PädagogInnen, LehrerInnen und schließlich auch Eltern laut, die die Koedukation von Buben und Mädchen in der Schule – übrigens erst seit 1976 der Regelfall an Österreichs Schulen – als massiv benachteiligend für Mädchen werteten. Mittlerweile ist man sich auch nicht mehr so sicher, ob nicht letzten Endes auch die Buben unter der Koedukation leiden, gehen doch den angehenden Männern die positiven männlichenIdentifikationsmuster aus, da immer mehr Buben in weiblich dominierten Umgebungen (alleinerziehende Mütter, Lehrpersonal, das zum Großteil aus Frauen besteht) aufwachsen und so oft in ihrer Entwicklung nicht optimal unterstützt werden.
Umso wichtiger ist es daher, dass die geschlechtergerechte (und somit optimal fördernde) Erziehung so früh wie möglich beginnt. Auch das österreichische Bildungsministerium bm:bwk hat sich schon längst zu dieser Problematik geäußert und auf seiner Homepage unter dem Titel Geschlechtsspezifische Bildungsfragen/Gleichstellung von Mädchen und Buben auch Gedanken zur
Bewussten Koedukation gemacht. Zur Verdeutlichung, was man sich darunter vorstellen soll, wurde ein
Leitfragen zur Erstellung und
Beurteilung von Unterrichtsmitteln erstellt, in dem sich u.a. folgende Punkte finden:
Themenbereich: Verhalten, Lebensweisen
- Bei welchen Tätigkeiten sind Frauen/Mädchen und Männer/Burschen
zu sehen?- Welche Eigenschaften und Verhaltensweisen werden Frauen/Mädchen
bzw. Männern/Buben zugeordnet? (Werden z.B. Frauen/Mädchen nur
passiv, emotional, ruhig, brav, ... Männer/Buben hingegen nur aktiv,
sachlich, wild, durchsetzungsfähig, dargestellt?)- Werden Frauen/Mädchen bzw. Männer/Buben auch mit Verhaltensweisen
und in Situationen gezeigt, die eher dem jeweils anderen Geschlecht
zugeschrieben werden (z.B. "sportliche Mädchen", "fürsorgliche
Buben")?(…)
So weit, so gut, dachte ich mir. Umso größer mein Erstaunen, als ich Anfang dieser Woche die Schulbücher meines 10-jährigen Sohnes einbinden musste (und insgeheim über die "geschlechterspezifische" Arbeit fluchte).
"Werkstatt.deutsch1", so der modern anmutende Titel des hier von mir inkriminierten Werkes, das vom Verlag öbv/hpt 2004 in erster Auflage erschien.
Auf S. 14 finden sich unter der verheißungsvollen Rubrik "Beziehungen prägen die Welt" Argumentationshilfen für die Frage, ob etwa ein Bub oder ein Mädchen Klassensprecher/in sein solle. Die Kinder werden aufgefordert, Argumente dafür und dagegen zu finden. Als Anregung dienen folgende Vorlagen:
- Buben können sich besser durchsetzen
- Buben haben mehr Autorität
- In unserer Klasse gibt es mehr Buben
- Mädchen können ruhiger argumentieren
- Mädchen können besser zuhören
- Mädchen handeln verantwortungsvoller
Immerhin – die Mädchen dürfen kandidieren, aber wenn so geschlechtergerechte Erziehung in der Schule aussieht, dann bin ich persönlich dafür, als Pflichtlektüre (für beide Geschlechter, wohlgemerkt) die schlichtweg unvergleichlichen Bücher von Magda Trott ab Sekundärstufe einzuführen - Pucki, die ebenso rührende wie erbauliche Geschichte einer Förstertochter, die in 12 Bänden vom kleinen Wildfang dank der liebevollen und verständnisvollen "Erziehung des Herzens" ihres um Jahre älteren Ehemannes und des "Onkel Oberförsters" zunächst glückliche Arztehefrau, dann Mutter dreier Söhne und schließlich auch noch Pflegemami für die Kinder ihrer verstorbenen Schwester wird:
- Försters Pucki;
- Puckis erstes Schuljahr;
- Pucki und ihre Freunde;
- Pucki kommt in die höhere Schule;
- Puckis neue Streiche;
- Puckis erster Schritt ins Leben;
- Pucki wird eine glückliche Braut;
- Pucki als junge Hausfrau;
- Puckis Familienglück;
- Pucki und ihre drei Jungen;
- Pucki - unser Mütterchen;
- Puckis Lebenssommer.
(Unter uns gesagt: Ich gebe gerne zu, dass ich als Kind ein echter Pucki-Fan war. Diese Bücher habe ich geliebt – und sie haben mich sicher viel mehr geprägt, als mir das letztlich lieb sein kann. Es mag daher uns allen angeraten erscheinen, ein wachsames Auge auf die Lektüre von Kindern zu haben – und ja nicht zu glauben, durch die Formulierung von Richtlinien werde das Ziel einer geschlechtersensiblen Pädagogik erreicht.
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Antworten
Schon zu Beginn der 90er Jahre galt die Koedukation als gescheitert. Zumindest in Deutschland wurden da schon etliche Stimmen laut, die allerdings v.a. die Benachteiligung der Jungen in einem zu sehr weiblich geprägten Umfeld hervorhoben.
Wenn ich so zurückdenke an meine Schulzeit und Studienzeit, fühlte ich micht im Großen und Ganzen als Mädchen/Frau weder benachteiligt noch bevorzugt. Einzelfälle natürlich ausgeschlossen, dann aber so richtig. Mit allem, was zu extra-blöden-sexisitischen Bemerkungen dazu gehört, die sowohl von Lehrern als auch von Lehrerinnen kamen. Möglicherweise stimmt, was ein häufiges Thema ist, dass "wir Mädchen" zu wenig in den naturwissenschaftlichen Fächern gefördert wurden, denn meines Wissens hat keine einzige meines Jahrgangs einen naturwissenschaftlich-technischen Beruf ergriffen oder auch nur die Leistungskurse in der Oberstufe in diesen Fächern belegt (3 Ausnahmen fallen mir ein: 2mal Leistungskurs Mathematik und 1mal Chemie).
Nachdem ich mein Studium für LA an Gymnasien abgeschlossen und verschiedene Praktika hinter mir hatte, auch das DAAD-Lektorat in Tartu, Estland und dabei so viele motivierte und kluge, angenehme Mädchen/junge Frauen erlebt hatte, war mir klar: Sollte ich jemals den Lehrerinnenberuf ausüben, möchte ich an einer Mädchenschule unterrichten.