Fokus: Ungarn - Focus: Hungary - Part 3

posted by SHorváth on 2005/09/18 22:08

[ Fokus: Ungarn - Focus: Hungary ]

Das Collegium Hungaricum hat in seinem neuen Herbst-Programm erneut ausgewählte Kostbarkeiten des ungarischen Filmschaffens für seinen montäglichen Filmklub zusammengestellt. Geschichten von Géza Radványi, Pál Sándor, Péter Gárdos, Péter Koltai und Péter Bacsó verführen …
… in ein wundersames Universum: Die ganze Welt – ein Zirkus!

    Im Mittelpunkt dieses neuen Zyklus steht die Figur des Clowns, des Clowns im ungarischen Film der vergangenen dreißig Jahre. Wie die Literatur (Frigyes Karinthy) oder die bildende Kunst (Watteau) bedient sich auch der Film der Welt des Zirkus als Metapher zur "realen" Welt. Die in verschiedenen Epochen gedrehten Streifen verbindet die grandiose schauspielerische Leistung, mit der die jeweiligen Figuren der Clowns/Zirkusdirektoren/Artisten dargestellt werden.
Was diesen außergewöhnlichen Werken meines Erachtens anhaftet, ist die vortreffliche Erschaffung eines Kosmos der Illusionen, der sich komödienhaft und ironiereich, eingebettet in ein allzu reales Gerüst, im Lichte der Zeitgeschichte gleichsam wieder auf tragische Weise verflüchtigt.


19. September, 19:00 Uhr
Circus Maximus

Regie: Géza Radványi, 1980, OF mit engl. UT
Drehbuch: Géza Radványi, Judit Máriássy, Károly Makk ? Kamera: Sándor Sára ? Musik: Szabolcs Fényes ? Mit Ági Margitai, Gábor Máté, Antal Páger, Tamás Major, Ferenc Bács, Imre Antal, Hilda Gobbi, Gábor Reviczky, Mátyás Usztics u.a.

Carlotta, die Zirkusdirektorin, hält sich und ihr verwahrlostes Ensemble während des Zweiten Weltkriegs durch Menschenschmuggel über Wasser. 1944 muss sie neben den üblichen Flüchtlingen einen namhaften Mathematiker, Professor Máté, zu den jugoslawischen Partisanen hinüberbringen. Der Truppe schließt sich Carlottas geisteskranker Sohn an, der vor kurzem aus einem Krankenhaus entlaufen ist. Der Wanderzirkus dient lediglich als Requisit zum "echten" Circus Maximus, agiert Carlotta doch nicht nur aus humanitärer Überzeugung...
Géza Radványi, der Regisseur des herausragenden Nachkriegsfilms Valahol Európában (Irgendwo in Europa), kehrte mit dieser deutsch-ungarischen Koproduktion nach fruchtbaren Jahrzehnten in Deutschland nach Ungarn zurück.


26. September, 19:00 Uhr
Ripacsok / Salamon & Stock Show

Regie: Pál Sándor, 1981, OF mit engl. UT
Drehbuch: Zsuzsa Tóth ? Kamera: Elemér Ragályi ? Musik: Gábor Presser ? Mit András Kern, Dezső Garas, Dorottya Udvaros, György Bárdy, Tamás Major, Hédi Temessy, István Bujtor u.a.

Salamon und Stock treten seit ewigen Zeiten in einer erfolgreichen Kabarettnummer gemeinsam auf. In einer dreibeinigen Hose singen sie das Lied Allein geht es nicht. Stock wird von Salamon unerwartet gegen eine junge Tänzerin "ausgetauscht". Zuerst findet sich Stock mit der neuen Situation ab, dann nimmt er – nach Rache dürstend – die Verfolgung Salamons auf, der feige und kopflos die Flucht ergreift. Stock holt ihn immer wieder ein, dann aber tauschen sie die Rollen und Salamon jagt Stock nach. Als den Hitzköpfen die Puste ausgeht, finden sie wieder zueinander und singen gemeinsam: Allein geht es nicht…
Nach Régi idők focija (Football of the Good Old Days) gelang Regisseur Pál Sándor wieder ein Klassiker, dessen Titelmusik inzwischen zu einer geläufigen Redewendung avancierte. In den frühen achtziger Jahren war der gesellschaftliche Zerfall bereits spürbar, dieser wird anhand des Schicksals des Clownpaares mit großer Einfühlung dargestellt. Die fabelhafte schauspielerische Leistung von András Kern und Dezső Garas ist ein unvergesslicher Moment in der ungarischen Filmgeschichte.


3. Oktober, 19:00 Uhr
Uramisten / Der große Mirandus / The Philadelphia Attraction

Regie: Péter Gárdos, 1984, OF mit engl. UT
Drehbuch: András Osváth, Péter Gárdos ? Kamera: Tibor Máthé ? Musik: János Novák ? Mit Kamill Feleki, Károly Eperjes, György Dörner, Dezső Garas, László Csákányi, Nóra Tábori, Júlia Nyakó, Vera Pap u.a.

Oszkár, der junge Artist, bricht sich das Bein. Seine letzte Chance sieht er in der Weltnummer des ins Eis geschlossenen Menschen, einem Kunststück des alten, zurückgezogen lebenden Befreiungskünstlers, Onkel Binder. Der hinkende Artist tut alles dafür, hinter das wunderbare Geheimnis zu kommen: Er trainiert, bittet, bettelt, droht, erpresst und schlaumeiert. Der einsame Illusionist gewinnt den fanatischen Jungen lieb und stellt ihn auf harte Proben; doch zum Schluss erklärt er: "Die Nummer bin ich!" Bald darauf stirbt er, aber in seinem Tod verhilft er noch dem Jungen zur Lösung des Rätsels.
Ein gelungener Theater-im-Theater-Effekt. Berührend gespielte menschliche Beziehungen (zwischen Meister und Schüler, Vater und Sohn) verleihen dem Film große Stärke.


17. Oktober, 19:00 Uhr
Világszám (Dodó és Naftalin) / Weltsensation / Colossal Sensat

Regie: Róbert Koltai, 2004, OF mit engl. UT
Anschließend Gespräch mit dem Regisseur

Drehbuch: Péter Horváth, Róbert Koltai ? Kamera: Balázs Márton ? Musik: László Dés, Viktor Havasy, Jenő Huszka, Pongrácz Kacsóh, István Nemes, István S. Nagy, László Szilágyi ? Mit Ferenc Bács, Gyula Bodrogi, Sándor Gáspár, Anna Györgyi, István Iglódi, Jiři Menzel, Róbert Koltai, János Kulka, Orsolya Tóth, Mónika Ullmann u.a.

Der Clown Slomó bekommt in einem Wanderzirkus Anfang des 20. Jahrhunderts Zwillinge. Die Sprösslinge werden, dem Beruf ihres Vaters folgend, zu beliebten Komödianten. In der Manege treten sie gemeinsam als Clowns, Artisten und Illusionisten auf. In der ersten Hälfte der 50er Jahre, während der Festvorführung des Staatlichen Zirkus, nimmt ihr improvisierter Scherz einen unglücklichen Ausgang. Obwohl am Geschehenen Naftalin schuld ist, muss Dodó dafür büßen: Er kommt ins Gefängnis und die Brüder werden für Jahre voneinander getrennt. Am 23. Oktober 1956 wird Naftalin, der an einem Provinztheater als Requisiteur arbeitet, ungewollt zur zentralen Figur der von der Revolution entfachten Ereignisse. Am Tag darauf macht er sich auf den Weg in die Hauptstadt, um seinen Bruder zu befreien…
Die humorvolle, dennoch lyrische Geschichte bildet anhand des Schicksals des Zwillingspaars die jeweiligen Alternativen ab: Gefangenschaft oder Freiheit? Soll man den Ideen der Väter treu bleiben oder sich mit dem eigenen Leben abfinden, ohne es aktiv mitzugestalten? Wie soll man auf die Herausforderungen antworten, die einem die "Geschichte" selbst stellt?


31. Oktober, 19:00 Uhr
Te rongyos élet / Du lumpiges Leben / Oh, Bloody Life

Regie: Bacsó Péter, 1983, OF mit engl. UT
Drehbuch: Péter Bacsó ? Kamera: Tamás Andor ? Musik: György Vukán ? Mit Dorottya Udvaros, Zoltán Bezerédi, László Szacsvay, Ödön Rubold, András Kern, Margit Lukács, István Velenczey, János Körmendi, József Gáti u.a.

Ungarn Anfang der 50er Jahre: Eine viel versprechende Nachwuchssängerin des Budapester Operettenhauses wird aufgrund der Heirat mit einem Aristokraten zum Spielball des Staatsapparates. Der klug zwischen Ironie und Entsetzen balancierende Film versteht es, die tragischen Widersprüche der stalinistischen Epoche sinnfällig zu machen.
Die Szenerie des Theaters bietet dem Regisseur gute Möglichkeiten, historische und menschliche (Konflikt-)situationen tief greifend zu durchleuchten. Nach dem Film A tanú (The Witness) ist es Bacsó wieder gelungen, ein erschütterndes Bild, diesmal von der Zeit der Zwangsaussiedlungen, zu zeichnen.

Adresse: Hollandstraße 4, 1020 Wien, Karten kosten € 3,-, für Studenten ist der Eitnritt! frei


Hinweisen möchte ich auf die hier schon einmal vorgestellte (ungarischsprachige) Datenbank www.filmtortenet.hu, die übersichtsreich wichtige Werkdaten der Filmgeschichte des Landes veranschaulicht (mit Filmausschnitten zum Herunterladen).

http://kakanienneu.univie.ac.at/static/files/28239/vilagszam.jpg


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