Bosnien | Bosnia - Part 36 (Wahlen 2006)
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Alle bosnisch-herzegowinischen Medien haben heute in der Früh die ersten Hochrechnungen für die Mitglieder des Staatspräsidiums von den gestrigen allgemeinen Wahlen veröffentlicht...Dieses Blog wird bis zur Veröffentlichung von endgültigen Wahlergebnissen regelmäßig aktualisiert.
Zu den Wahlurnen sind diesmal 1.420.281 Wähler gegangen, das entspricht dem Prozentsatz von 52,74% der registrierten WählerInnen des Landes, was einigen Progosen entgegen doch eine höhere Wahlbeteiligung als im Jahre 2002 bedeutet.
Die ersten Hochergebnisse für die Mitglieder des dreiköpfigen bosnisch-herzegowinischen Staatspräsidiums (ausgenommen Stadt Tuzla - dort sind noch 99.000 Stimmen zu zählen) schauen so aus:
Im Rennen für das bosniakische Mitglied des Präsidiums ist der Kandidat der Partei für Bosnien-Herzegowina Haris Silajdžić ein klarer Gewinner. Laut bisher gezählten Stimmen hat er mehr als 125.000 Stimmen oder 38% bekommen. Das bisherige bosniakische Präsidiumsmitglied, Sulejman TihiĆ, bekam lediglich 59.000 Stimmer (18,12%).
Noch klarer ist das Ergebniss der Republika Srpska ausgefallen: Nebojša Radmanović, der Kandidat für das serbische Mitglied des Präsidiums vom Bündnis der unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD) des Premierministers Milorad Dodik einen klaren Gewinn verzeichnet: 56% der Wähler in der serbischen Entität haben ihm sein Vertrauen ausgesprochen, an die zweite Stelle kommt Mladen Bosić von der Serbischen Demokratischen Partei (SDS - die Partei, deren Gründer der heutige wegen der Kriegsverbrechen angeklagte frühere Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadžić, war).
Während die Wahl des Bosniaken und des Serben im Präsidium so gut wie entschieden ist, liefern sich Željko Komšić von der Sozialdemokratischen Partei BiH (SDP) und Ivo Miro Jović von der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ - traditionell die stärkste kroatische Partei) ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Laut heute veröffentlichten Ergebnissen führt Jović hauchdünn mit 38.960 Stimmen (11,83%), Komšić gewann gleichzeitig 37.579 Stimmen (11,41%). Es ist interessant, dass während der ganzen Wahlkampfszeit die kroatischen Parteien die Kandidatur von Komšić schärfstens verurteilt haben, Komšić komme von der mit Sitz in Sarajevo mehrheitlich bosniakisch besetzten Sozialdemokratischen Partei und es bestehe eine Gefahr, dass viele sozialdemokratisch gesinnte Bosniaken Komšić wählen und somit das kroatische Mitglied des Präsidiums bestimmen. Ob es im Falle, dass Komšić doch gewinnt (denn das noch ausstehende Tuzla ist die bekannte Hochburg der Sozialdemokratie), zu Blockaden und Protesten von der kroatischen Seite kommt, bleibt noch offen.
Bisher wurden in der Föderation Bosnien-Herzegowina (der mehrheitlich bosniakisch-kroatischen Entität Bosnien-Herzegowinas) rund 72% der Stimmen für das Parlament Bosnien-Herzegowinas gezählt. Die stärkste Partei ist die Partei der demokratischen Aktion (SDA) mit 166.500 Stimmen, an die zweite Stelle kommt die Partei für Bosnien-Herzegowina (SBiH) mit mehr als 150.800 Stimmen. Die Sozialdemokratische Partei (SDP) nimmt den dritten Platz mit 90.000 Stimmen ein. Aus der Republika Srpska (der mehrheitlich serbischen Entität Bosnien-Herzegowinas) wurden mehr als 84% der Stimmen für das gemeinsame bosnische Parlament gezählt. Laut letzten Ergebnissen hat das Bündnis der unaghängigen Sozialdemokratien des Premierministers Milorad Dodik mit 229.000 Stimmen die meisten Mandate aus der Republika Srpska im bosnisch-herzegowinischen Parlament gewonnen.
7. 10. 2006: In der ganzen vorigen Woche hat die Zentrale Wahlkommission die restlichen Stimmen von den allgemeinen Wahlen 2006 zu Ende gezählt. Während die Situation für die Wahl der Präsidiumsmitglieder seit fast einer Woche klar ist: Haris Silajdžić, Nebojša Radmanović und Željko Komšić sind neue Mitglieder des Staatspräsidiums.
In den letzten ein paar Tagen hat das neue kroatische Präsidiumsmitglied Željko Komšić für viel Wirbel gesorgt: Während seine Wahl von fast allen mehrheitlich kroatischen Parteien scharf verurteilt wird, versucht Komšić - als Kandidat einer ausgesprochen antinational gerichteten Partei - ein völlig neues Image eines bosnisch-herzegowinischen Politikers zu entwickeln. In seinen zehlreichen Interviews betont er, er möchte der Präsident aller Bosnier, nicht nur bosnischer Kroaten, sein. Bezüglich seiner Muttersprache entspricht Komšić auch keinem Bild eines "ethnisch bewussten" Politikers: Er redet kein Standardkroatisch wie die meisten anderen bosnisch-kroatischen Politiker und bezeichnet darüber hinaus seine Muttersprache als "Bosnissch": Völlig verständlich, dass bei den mehrheitlich kroatischen Parteien die Wogen hoch gehen. Die Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ), auch nach diesen Wahlen die stimmenstärkste Partei der bosnischen Kroaten, hat Komšić offiziell aufgefordert, vom Posten der Präsidiumsmitgliedes abzutreten, denn er sei "nicht mit kroatischen Stimmen" gewählt. Komšićs Antwort: "Ich gehe aus dem Präsidium nur im Fall, dass mich jemand physisch entfernt!"
Neben dem Wirbel um das Präsidium schauen aber die Ergebnisse der Wahlen 2006 für die Parlamentshäuser in Bosnien-Herzegowina so aus:
Das Parlament Bosnien-Herzegowinas: (aus der Föderation BH): Partei der demokratischen Aktion (SDA BiH) 25,50%, Partei für Bosnien-Herzegowina (SBiH) 22,55%, Sozialdemokratische Partei (SDP BiH) 15,56%, Kroatische Demokratsiche Gemeinschaft (HDZ BiH) 8,13%. (aus der Republika Srpska): Bündnis unabhängiger Sozialdemokraten (SNSD): 48,83%, Serbische Demokratische Partei (SDS): 20,13%.
Im Parlament der Entität Föderation BiH ist die Partei der demokratischen Aktion (SDA) die stimmenstärkste, es folgen die Partei für Bosnien-Herzegowina des neuen Präsidiumsmitgliedes Silajdžić als zweite und die Sozialdemokratische Partei (SDP) als dritte.
Der Präsident der Entität Republika Srpska ist Milan Jelić vom Bündnis unabhängiger Sozialdemokraten (SNSD). Im Parlament der Republika Srpska ist diese Partei (SNSD) auch die stimmenstärkste, es folgt die Serbische Demokratische Partei (SDS). Alle anderen Parteien bekamen weniger als 10% der Stimmen.
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Es steht nun offiziell fest: Das neue kroatische Mitglied des Staatspräsidiums ist der Sozialdemokrat Željko Komšić. Die kroatische HDZ hat ihre eigene Niederlage im Rennen um den Präsidentensessel eingestehen und gleichzeitig erklärt, die Wahl von Željko Komšić sei "eine Tragödie für das kroatische Volk", weil Komšić nicht mit kroatischen Stimmen gewählt wurde. Ausführlichere Ergebnisse seitens der Wahlommission gibt es heute gegen 21 Uhr.