Bosnien | Bosnia - Part 12

posted by usha on 2005/06/13 14:44

[ Bosnien | Bosnia ]

Bereits seit 2 Tagen vorüber ist er nun schon, der kleine, aber feine Workshop zu Bosnien unter österreich-ungarischer Besatzung (1878-1918) in Antwerpen.

Zu der bereits angkündigten Liste an Vortragenden kam erfreulicherweise noch ein Vortrag, "Inventing Traditions in Bosnia: The Government Carpet Factories 1879-1914" von Diana Reynolds aus San Diego hinzu. Sie berichtete aus einem aktuellen Forschungsprojekt zur Herstellung einer mulitnational und -kulturell geprägten österreichischen Identität in der Zeit des Imperialismus (1878-1914). So schuf Wien, den Gesetzen der Nachfrage und den Vorstellungen einer folkloristischen Formensprache folgend, das authentische bosnische Teppich-Design, welches in "städtischer Verfeinerung" und Auflockerung der strengen Geometrie einiger bosnischer Teppichmuster an die Teppichfabrik in Sarajewo zurückkehrte.

Die Tropologie der Identitätsbildung und der Fiktion von Authentizität und Originalität spielten auch für die Beiträge von Clemens Ruthner, der über Stadtbilder am Beispiel von Konjic berichtete und zum Schluss kam, dass die Rhetorik der Bilder nicht zu hintergehen ist; für Christian Marchetti, der sein Projekt der Erfindung einer Wissenschaft über den südosteuropäischen Fremden in Österreich-Ungarn vorstellte. Dabei standen die Sammel- und Beschreibungsaktivitäten von Michael und Arthur Haberlandt im Vordergrund, die durch die nationalromantischen Reisen in den Balkan des Baron Nopcsa und seines Programmes eines "going native" in Albanien konterkariert wurde. Auch mein eigener Vortrag zu einer "nomadologischen Guerilla" in Montenegro, der sich den Phantasmen einer unberechenbaren montenegrinischen Kriegsmeute in Berichten zu militärischen Strategien auf dem Balkan zwischen 1862 und 1898 widmete, verknüpfte Wirkungsweisen von Identitätsbildern mit Bildern der Wissenschaft, hier aus Deleuze/Guattari's 1000 Plateaus gewonnen. Solche Bilder der Identität und der Andersheit können sich einer "Realität" nur "vektoriell" nähern, wie Riccardo Concetti in der Schlussdiskussion treffend formulierte.

Concetti selbst widmete sich verschiedenen und einander teils widersprechenden medialen Bildern vom benachbarten Anderen Bosniens in den literarischen, fotografischen und filmischen Werken des österreichischen Offiziers Robert Michel. Besonders eindrucksvoll war das Bild des beredten Schweigens des literarischen Touristenführers Michel, der ein vollkommen ignorantes Publikum voraussetzte.

Methodischen Grundaspekten von Herangehensweisen an eine kulturwissenschaftlich und geschichtlich zu erarbeitende Zeitperiode widmeten sich auf je eigene Weise Wolfgang Müller-Funk mit einer Dialektik des Postkolonialen, die offenbart, dass jede Konstruktion des Fremden und des Anderen nur über sich selbst, nur über das Eigene redet, und Stijn Vervaet, der eine Kritik des innereuropäischen Postikolonialismus vornahm und in seiner Darstellung der literarischen Wechselwirkungen bosnischer Zeitschriften und der österreichisch-ungarischen Literaturpolitik der Besatzungszeit die mehrfach kodierte Stimme von Bosniaken, Kroaten und Serben zum Vernehmen brachte.

Rahmend war in jeder Hinsicht der geschichtliche Vortrag von Raymond Detrez über die Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Österreich-Ungarn und deren speziellen "Appendix"-Status, der auf von Beginn vorhandene innerhabsburgische Widerstände gegen die Angliederung zurückzuführen war. Detrez lieferte so nicht nur den notwendigen politischen und historischen Rahmen für alle weiteren Vorträge, sondern beschäftigte sich auch explizit mit den Problemen der Multi-Nationalität von Staatsgebilden und daraus resultierenden, teils absurd anmutenden Verwaltungsstrukturen.


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