Die Filmavantgarde des Prager Frühlings

posted by SHorváth on 2007/02/21 20:46

[ Fokus: Tschechien - Focus: Czech Republic ]

Der 75. Geburtstag des tschechisch-amerikanischen Filmregisseurs Milos Forman gibt in diesem Jahr Anlass für so manche retrospektive Filmschau. So ehrt zum Beispiel das goEast - Festival des mittel- und osteuropäischen Films (28.3. bis 3.4.2007 in Wiesbaden) den mehrfachen Oscarpreisträger mit einer Hommage. Im Rahmen dieser wird der Fokus vor allem auf jene nur selten projizierten Arbeiten gerichtet, die der Regisseur in seiner früheren Heimat gedreht hatte. Eine umfassende Palette seines Filmschaffens, die sich vom Frühwerk bis zu den amerikanischen Produktionen erstreckt, bringt (noch bis zum 25.2.) das Filmarchiv Austria in seinem Februar-Programm auf die Leinwand des Metro Kinos.

Daran anknüpfend (zwischen dem 26.2. und 14.3.) kann man sich zudem von der Virtuosität tschechischer Filmkunst in der Reihe "Kafkas Kinder" mitreißen lassen ...

Es sind allesamt Werke meisterhafter und bahnbrechender Filmemacherinnen und Filmemacher, die die "Tschechische Neue Welle" in den 1960-er Jahren begründeten und die nun hierzulande in der bislang umfangreichsten Darbietung präsentiert werden. Die "Filmavantgarde des Prager Frühlings" brachte bestechend neuartige und direkte visuelle Formen und Erzählstrukturen hervor und löste mit ihren unkonventionellen Sujets eine "Erneuerungsperiode" des tschechischen Filmschaffens aus.
 

    1963 kam es in der Tschechoslowakei zu einer Klimaveränderung, damals endete die legendäre Kafka-Konferenz auf Schloss Liblice mit der Rehabilitierung des Dichters, der nicht ins Schema der stalinistischen Kulturdoktrin gepasst
    hatte. Der Startschuss zum kulturellen Tauwetter in Prag fiel just in dem Moment, als eine Reihe junger Filmemacherinnen und Filmemacher, unter ihnen Věra Chytilová, Jaromil Jireš, Jiří Menzel, Jan Němec, Ivan Passer, Jan Schmidt und Evald Schorm auf der Prager Filmhochschule FAMU abschlossen. Dieser Generation eröffneten sich unmittelbar danach bis dato ungeahnte
    Möglichkeiten, ihre innovativen Konzepte in der Filmproduktion zu erproben und umzusetzen. Die Filmkünstlerinnen und Filmkünstler experimentierten nach französischen Vorbild mit einer Vielfalt ästhetischer Erneuerungsoptionen.
    Gemeinsames Ziel war es im Kino den direktesten Weg zur Realität zu suchen. (...)
    Das ausgewählte Programm zeigt wie sehr diese Filmemacherinnen und Filmemacher damals das generelle Bild vom Leben in ihrer Heimat im Ausland mitgeprägt haben und lassen erahnen, wie sehr diese von Kafka und Hrabal literarisch inspirierte Filmkunst als geistiger Motor im kulturellen Umfeld des Prager Frühlings fungierte. Filme wie DER LEICHENVERBRENNER von Juraj Herz offenbaren präzise den Grad an künstlerischer Originalität und ästhetischem Wagemut, die diese Arbeiten 1968 am Höhepunkt der Tauwetterära erreicht hatten. Im Falle der Nova Vlna kann man demnach von einer veritablen Bewegung sprechen, die in der Geschichte der Filmkunst eine ähnlich nachhaltige Wirkung zeitigte wie Frankreichs Nouvelle Vague oder Italiens Neoverismo. (Filmarchiv Austria)

Zwei tschechischen Arbeiten von Milos Forman, die in diesen Umbruchjahren entstanden sind, werden in dieser Woche noch zu sehen sein:

Die Liebe einer Blondine, CS 1965 am Do. 22.2 um 20.30 Uhr sowie Der Feuerwehrball, CS 1967 am Fr. 23.2. um 18.30 Uhr im Metro Kino (1010 Wien, Johannesgasse 4).


In Kooperation mit dem Tschechischen Zentrum Wien und dem Tschechischen Filmarchiv in Prag / Národní filmový archiv.


SEDMIKRÁSKY / TAUSENDSCHÖNCHEN (Věra Chytilová, CS 1966) 
 


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