SEE education

posted by sab on 2005/10/05 01:55

[ SEE education ]

Three days ago I posted a bit about education in Kosovo, and mentioned the Albanian parallel education. Now I wanted to add some more information on that topic.

Petritsch/Kaser/Pichler’s ”Kosovo Kosova” (the following quote is from an older edition, from 1999), reports from the beginning of the 90ties:


Besonders schwerwiegende Auswirkungen hatte die “Serbisierung” des Bildungswesens auf die gesellschaftliche Entwicklung in der Provinz. Die obligatorische Übernahme des serbischen Lehrplans und damit verbunden das Verbot albanischer Lehrbücher sowie die Zurückdrängung des Albanischen als Unterrichtssprache riefen eine Welle von Protesten hervor, die in einem generellen Boykott des Schulunterrichts gipfelten. Shqëlzen Maliqi, ein albanischer Intellektueller, erläutert den historischen Hintergrund:

Historischer Hintergrund

Die Aufkündigung des Autonomiestatus bedeutet auch den Verlust der Selbstbestimmung im Schulwesen. Vor 1990 besaßen die Verantwortlichen im Kosovo die Entscheidungsbefugnis in allen Bereichen des Schul- und Ausbildungswesens; in der Schulgesetzgebung, bei den Lehrplänen, bei der Gestaltung der Schulbücher usw. Diese Autonomie wurde 1991 durch das serbische Parlament aufgehoben und das Schulsystem mit einer Reihe von Gesetzen den serbischen Institutionen untergeordnet. Am 1. September, dem ersten Schultag, wurden die albanischen SchülerInnen mit der Begründung am Betreten der Schulen gehindert, sie hätten den neuen serbischen Lehrplan verweigert. (...)

Im Jänner 1992 begannen die Albaner, den Unterricht in privaten Häusern selbst zu organisieren. Diese Entscheidung war gleichbedeutend mit einer Spaltung des Schulwesens, das vom serbischen Staat finanziert wird und in Schulhäusern stattfindet, es existiert seitdem ein albanisches Parallelsystem. Mit einer neu eingeführten Steuer der albanischen Gemeinschaft wurde dafür eine eigene Finanzierungsquelle geschaffen.



A lot of that parallel system was financed by money that came from Albanians living in other countries. Three things seem to me the main problems education reforms under UNMIK had to face after 1999 and until now: first, the situation – not only regarding education – turned around, now the Serbian students that remained in Kosovo could and cannot continue their studies in Kosovo. Second, there’s the often-mentioned pride Albanians take in the achievements of this underground-universities and schools:



The parallel education system in Kosovo was the pride of the Albanian peaceful resistance in Kosovo. Human rights activists from all over the world visited the house-schools and shared their philosophies and experiences of peaceful resistance with the students and teachers.



Quote from the Institute for War and Peace Reporting



Now that doesn’t make it easier to accept international advice on how to modernize an education system that, mainly due to the exceptional and harsh conditions under which it existed, had been stagnant for a long time. And third, what everything starts and ends with: the money. Teachers’ salaries aren’t much higher than approximately 100, 120 Euros; what I heard last summer for University teachers was a maximum of 180 Euros. Primary school teachers I talked to had found jobs in kindergardens funded by NGOs where they earned at least a bit more.

Michael Daxner’s Country Report (.pdf) gives a good overview of the situation.

An „insider’s“-view is the report of Zuzana Finger who worked as DAAD lecturer and head of the DAAD office in Prishtina:



Der akademische Aufbau im Kosovo ist wie der Neubau eines Hauses im unwegsamen, erdbebengefährdeten Gelände. Man kommt mit einem bestimmten Plan im Kopf und mit ausgearbeiteten Entwürfen eines europäischen Gebäudes. Man will loslegen und es stellt sich heraus: Der Zugang zum Baugrund muss erst freigelegt, geebnet und unterhalten werden. Der Boden ist voller Trümmer und Scherben. Sie haben historischen Wert und es entbrennt eine lange Diskussion darüber, ob sie überhaupt entfernt werden dürfen und wie und ob man sie in den Neubau integrieren kann. Während des Bauens arbeiten die lokalen Mitarbeiter an der Verwirklichung ihrer eigenen Hausbaupläne oder sie verweigern sich. Das ganze Baumaterial muss von außen herangeschafft werden. Der Boden ist unruhig, die Mauern bekommen immer wieder Risse. Zentimeter für Zentimeter arbeitet sich der Bauarbeiter voran, an Hausecken gleichzeitig arbeitend. Die Zeit verrinnt. Ein aussichtsloses Unterfangen?

Ich bin am 26. Oktober 1999 als DAAD-Funktionslektorin und Leiterin des DAAD-Verbindungsbüros in den Kosovo gekommen. Mein Arbeitstitel ist einmalig, er ist jedoch für die Beschreibung meiner Aufgaben höchst geeignet. Ich arbeite als Lektorin in der Germanistischen Abteilung an der Universität Pristina. Vor einem Jahr war ich die erste ausländische Angestellte. Die 1970 gegründete zweisprachige Universität spaltete sich nach der Aufhebung der Autonomie Kosovos 1991 in zwei Teile. Die staatliche, serbischsprachige, und die im Untergrund funktionierende albanischsprachige. Im Sommer 1999 verkehrten sich die Rollen. Die albanischsprachige Universität zog in die offiziellen Gebäude ein, die kurz davor von serbischsprachigen Dozenten und Studenten fluchtartig verlassen wurden. Doch nicht nur das Ausmaß der physischen Zerstörung und Verwahrlosung war beeindruckend, sondern die geistige Haltung der neuen Universitätsvertreter. In den Köpfen tobte noch der Krieg. Es wurde Vergeltung geübt.

Es reicht nicht, im Zuge der Aufbauarbeit die Wände frisch zu streichen. Das gesamte Bildungskonzept muss neu durchdacht werden, denn von den Bildungsinhalten hängt die politische Stabilität Kosovos ab. Dafür bedarf es Menschen, die bereit sind ihre europäische Erfahrung im Kosovo einzusetzen und aus der nationalen Paralleluniversität eine wissenschaftliche Institution nach internationalen Maßstäben zu machen. Seit Februar 2000 steht neben dem albanischen Rektor der Internationale Administrator, Herr Professor Daxner, an der Spitze der Universität. Er hat einen internationalen Mitarbeiterstab, der im Rektorat internationale Projekte und Programme koordiniert und an der Verwirklichung der Universitätsreform arbeitet, finanziell, technisch und geistig. Meine Tätigkeit als Funktionslektorin besteht darin, die Universitätsreform durch die DAAD-Projekte zu unterstützen. Dank meiner Lehrtätigkeiten kenne ich die Universität von innen. Ich wurde nach meiner Ankunft vor einem Jahr von der Leiterin der Germanistikabteilung beauftragt im vierten Studienjahr Lehrveranstaltungen in der Historischen Grammatik, Geschichte der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts und in der Übersetzungswissenschaft zu übernehmen.

Der Anfang war schwierig. Es kamen keine Studenten. In den Nachkriegskosovo strömten Internationale Organisationen und jeder, der über Fremdsprachenkenntnisse verfügte, verdingte sich als Dolmetscher/Fahrer/Auskunftsassistent.

Als ich die Idee hatte den berufstätigen Studenten zuliebe meine Lehrveranstaltungen aufs Wochenende zu verlegen, tauchten die Ersten auf. Im Laufe des Jahres entstand eine feste Seminargruppe. Die Studenten brachten gute, im deutschsprachigen Ausland erworbene Sprachkenntnisse mit. Die Berufserfahrung als Dolmetscher ließ sich für den Unterricht nutzen. Einige hatten als DAAD-Stipendiaten Studienerfahrungen aus Deutschland. Dies war sehr hilfreich, denn das selbstständige, eigenverantwortliche Studieren war den meisten unvertraut. Sie waren es gewohnt als Studenten entmündigt und abhängig zu sein, obwohl sie gleichzeitig durch ihren Beruf ihre Familie ernährten.

Die parallele albanischsprachige Universität war von den akademischen nichtalbanischen Außenkontakten fast vollständig abgeschnitten. Die letzten intensiven akademischen Begegnungen liegen zehn Jahre zurück. In diesen Jahren hat sich an der Universität ein riesiger technischer und wissenschaftlicher Rückstand aufgestaut, da die Lehre unter den provisorischsten Bedingungen aufrechterhalten wurde. Ohne Labors, technische Ausrüstung, Praktika und differenzierte Fachliteratur. Es war eine einmalige politische Leistung. Wissenschaftlich gesehen waren die Jahre der parallelen Universität äußerst dürftig. Das schwierige Erbe der parallelen Universität sind die zur Gewohnheit gewordene Isolation und Bildungsprovisorien. Ein Teil der kosovoalbanischen Studenten studierte vor 1991 an den Regionaluniversitäten und wanderte vor den heraufziehenden Kriegen von einer Universität zur anderen. Viele von ihnen hatten noch keinen Studienabschluss erreicht, als sie anfingen als wissenschaftliche Mitarbeiter an der Untergrunduniversität zu arbeiten. Es ist ihr Verdienst, dass sie die Lehre an der parallelen Universität Pristina aufrechterhalten haben. Sie selbst aber kamen bis heute nicht dazu die fehlende wissenschaftliche Qualifikation nachzuholen, da ihre Universität nur sehr wenige Magisterstudiengänge anbietet.

Die Förderung des akademischen Netzwerks zwischen den deutschen und südosteuropäischen Hochschulen und seine Verwirklichung im Kosovo ist, wenn ich eine Prioritätenliste aufstellen darf, eine meiner Lieblingsaufgaben. Die albanische akademische Landschaft des Kosovo war bis kurz nach dem Kriege eine weiße Landkarte mit schemenhaften Umrissen. Seit einem Jahr bin ich in dieser Landschaft unterwegs, Fremdenführer für die deutschen Hochschulen und Wegweiser für die Kosovaren. Es sind in dieser Zeit viele fruchtbare Projekte zwischen deutschen und hiesigen Universitäten zustande gekommen. Hinter jedem dieser Projekte verbirgt sich im Kosovo eine intensive Verbindungsarbeit: Suche nach geeigneten Kontaktpartnern, Herstellung der Kontakte und ihre Pflege. Wörtlich: Ihre Pflege, weil ich in einem Land lebe, in dem E-Mails keine Selbstverständlichkeit sind, in dem es eine Engelsgeduld erfordert zu telefonieren und zu faxen und in dem die Post nur eingeschränkt funktioniert. Die Konsequenz heißt in vielen Fällen: persönlicher Kontakt. Ich gebe einen großen Teil der Informationen aus Deutschland an die kosovarischen Adressaten persönlich. Das bedeutet einen kaum vorstellbaren Zeitaufwand, es zahlt sich aber aus, weil die persönlichen Begegnungen viel zu gegenseitigem Kennenlernen und Verständnis beitragen.

Ich wirke im Kosovo und ich bleibe vom Kosovo nicht unberührt. Ich habe diese Gesellschaft in ihren tiefen Widersprüchen erfahren, zwischen Aufbruch und Abkapselung, Kooperationsbereitschaft und Hab-gier, Bildungshunger und Dogmatismus. Es gibt Erlebnisse, die mich vor der Resignation bewahren. Ich kenne einen Wissenschaftler, der neben seiner Lehrverpflichtung in Pristina regelmäßig die 36-stündige Busfahrt nach Wien auf sich nimmt, um dort an seiner Dissertation zu arbeiten. Dieser Mann hat eine Buchspende von der TU Wien im Wert von 70000DM in Eigeninitiative zusammengetragen und mit dem Bus in Reisetaschen in die Uni Pristina gebracht. Ich kenne eine andere Wissenschaftlerin, die sich nachts den Wecker stellt, um im Rhythmus der Stromversorgung am Computer zu arbeiten. Ich habe an Kompromissbereitschaft gewonnen, aus der Einsicht, dass ich meine Vorstellungen, so gut und richtig sie auch sein mögen, nicht nachhaltig umsetzen kann, wenn sie von meinen Partnern nicht angenommen werden. Mit dieser schwierigen Mischung des Status als Gast, Eindringling, Helfer, Berater und Vorgesetzter werden alle ausländischen Mitarbeiter der Universität konfrontiert.

Die Universität kann nur in gemeinsamer, unendlich mühsamer Alltagsarbeit aufgebaut werden. Es braucht noch lange, bis die geistigen Tragebalken belastbar sind und die Universitätsmitglieder ihre Einrichtung für alle Bildungsinteressierten öffnen. Aber eins habe ich durch meine Verbindungsarbeit jetzt schon erreicht: ich habe eine ideelle Kommunikationsanlage installiert. Es werden Informationen gesendet und empfangen, es wird Wissen ausgetauscht und das Haus steht nicht mehr unerreichbar und dunkel in der unwegsamen Landschaft.



Another source for information on education - not only in Kosovo but in 11 SEE countries – is the South East European Educational Cooperation Network’s site.



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This is a part of the collage 'The Black File' by Croatian artist Sanja Ivekovic, who will be represented at documenta 12 (16/6-23/9) in Kassel this year.

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