Publikationen - Publications - Part 21

posted by ach on 2007/07/22 14:57

[ Publikationen - Publications ]

Bereits vor einiger Zeit ist das im Böhlau-Verlag publizierte Buch der Wiener Musikwissenschafterin Marie-Theres Arnbom, "War'n Sie schon mal in mich verliebt?", erschienen, diesen Sommer jedoch erst entdeckt man den Band im Buchhandel, wo ich es auch vor wenigen Tagen inr wissenschaftliche Archiv des Büro für Wiener Theaterforschung artminutes aufgenommen habe:
Weniger der Titel selbst, der sich auf ein 1928 entstandenes Lied* der dänisch-deutschen Sängers, Kabarettisten und Schauspielers Max Hansen (eig. Max Haller) bezieht, als der Untertitel, "Filmstars, Operettenlieblinge und Kabarettgrößen zwischen Wien und Berlin", hatte mich zum Kauf bewogen. Doch die Hoffnung, in dem knapp 250-seitigen, von zahlreichen Abbildungen begleiteten Buch Neues über die politische, soziale und künstleriche Situation österreichischer und deutscher "Publikumslieblinge" zwischen "Ständestaat" und Weimarer Republik zu erfahren, wurde enttäuscht.
Wie so oft, verspricht der Titel mehr, als die Publikation letztlich bietet. Vielmehr verwebt die Autorin im klassischen monografischen Aufbau zwei Künstlerbiografien – Max Hansen (1897–1961) und Paul Morgan (geb. Georg Paul Morgenstern, 1886–1938) –, die sie mit zwei weiteren "Lebensskizzen" zu Kurt Robitschek (1890–1950) und dem jüngeren Burder Paul Morgans, Ernst Morgan (1902–1957), ergänzt.

Dennoch ist der Band der Historikerin, die sich in den letzten Jahren vor allem auf Schauspieler- und Kabarettistenmonografien (Annemaria Düringer, Miguel Herz-Kestranek, Fritz Grünbaum) spezialisiert hat, ein weiterer wichtiger Beitrag innerhalb der theater- und musik-, aber auch filmhistorischen Forschungsarbeit zur Situation jüdischer KünstlerInnen in Österreich und Deutschland der Zwischenkriegszeit und des aufkommenden Nationalsozialismus, denen sich auch in den letzten Jahren eine Reihe von Filmarbeiten gewidmet haben, etwa der gleichnamige Film von Douglas Wolfsperger (Bellaria, 2001) aus dem Jahr 2005, der entweder noch nicht oder ziemlich unbemerkt in Österreich angelaufen ist.

Arnbom widmet sich dem persönlichen wie künstlerischen Werdegang des als "kleinen Carosa" mit kaum 14 Jahren in Berlin berühmt gewordenen Max Hansen, Sohn einer dänischen Schauspielerin und eines Jahre lang nicht genannten deutschen Vaters (Hansen versuchte nach 1933 mehrmals und, nicht unähnlich dem wesentlich bekannteren "Fall Leo Reuss" in Wien, durch gefälschte Urkunden einen "Ariernachweis" zu erhalten) und des in Wien geborenen populären Schauspielers und Kabarettisten Paul Morgan, der als einer der ersten österreichischen Künstler 1938 im KZ Buchenwald umgekam.
Morgan und Hansen zählten spätestens ab Mitte der 1920er-Jahre zu den populärsten Theater- und Filmschauspielern Berlins, gehörten zum Gründunsensemble des "Kabratt der Komiker" und emigrierten 1933 nach Österreich, wo sie u. a. am Theater an der Wien der Uraufführung von "Axel an der Himmelstür" auftraten, ehe sich ihre Wege - Morgan blieb in Wien und wurde wenige Tage nach dem "Anschluss" deportiert, Hansen floh nach Schweden, erhielt nach einer Reihe von Anläufen 1941 schließlich einen "Ariernachweis" und begann eine neue, erfolgreiche Laufbahn als schwedisch-dänischer Sänger, Schauspieler und Theaterleiter - 1938 für immer trennen sollten.
Die Autorin arbeitete zahlreiche Archivquellen, die bis heute nicht auf Deutsch erschienene Autobiografie Hansens aus dem Jahr 1955, aber auch eine beachtliche Zahl an Zeitungsartikeln und eine Reihe weitere Biografien, Briefen und in Exilzeitschriften publizierten Texten von KollegInnen und Wegbegleitern sowie die – immer noch als Marginalien der Theatergeschichtsforschung des 20. Jahrhunderts zu bezeichnenden – in den letzten Jahren erschienenen wissenschaftlichen Publikationen zur Situation jüdischer KünstlerInnen in Österreich vor dem "Anschluss" ein und lässt die verwendeten Quellen flüssig in ihren Text einfließen – was das Buch auch für eine nicht wissenschaftliche Leserschaft spannend werden lässt, jedoch für die wissenschaftliche Weiterarbeit zum Teil wenig hilfreich ist, da von den ca. ein Drittel des Textes ausmachenden Originalzitaten (die man aufgrund des einheitlichen Satzes zum Teil nur sehr mühsam als solche "entdeckt") wiederum nur zwei Drittel tatsächlich in den Fußnoten mit Quellenangaben ausgewiesen werden.
Nicht weniger undurchsichtig ist die Frage nach der Zitierweise der Texte: Da diese in den Gesamttext vielfach unkommentiert und ohne jeden Verweis einfließen, stellt sich die Frage nach der Zitierweise mehrmals beim Lesen bzw. stolpert man immer wieder über die Mischung aus sog. "alter" – und "ganz alter" – und "neuer" Rechtschreibung, wenn die Zitate nicht deutlich als solche ausgewiesen werden. So findet man ebenso Worte wie "Spass" wie über unterschiedliche Hervorhebungen, etwa bei Zeitschriften-Titeln u. a. m.
Trotz all dieser im Zuge der wissenschaftlichen Lektüre des Bandes zu überbrückenden Hürden, ist "War'n Sie schon einmal in mich verliebt" spannend zu lesen und in vielerlei Hinsicht eine wesentliche Ergänzung zur aktuellen Forschung. Und was man dank des publikumsfreundlichen Stils an Zeit beim Lesen spart, das nutzt man dann eben für's Überlegen, wo welches Zitat wohl im Original zu finden sein mag.

Marie-Theres Arnbom: War'n Sie schon mal in mich verliebt? Filmstars, Operettenlieblinge und Kabarettgrößen zwischen Wien und Berlin. Wien: Böhlau 2006.

* Hitler und der Siggi Cohn kennen sich seit Jahren schon.
Eines Tages ging’n sie aus miteinand’ ins Hofbräuhaus.
Doch schon bei der fünften Maß, werden Hitlers Augen nass.
Er umarmt den Siggi Cohn und stottert blass:
Warst du schon mal in mich verliebt?
Das ist das Schönste, was es gibt.
Max Hansen, 1928

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