Titel

Mestizaje und hybride Kulturen. Lateinamerika und die Habsburger-Monarchie in der Perspektive der Postcolonial Studies

Autoren

Michael Rössner,  München

Die Zusammenstellung Lateinamerika und Österreich-Ungarn mag auf den ersten Blick gewagt erscheinen; doch bei allen Gegensätzlichkeiten des kulturellen Geflechts ist ein produktiver Vergleich zwischen den beiden genannten Kulturen möglich. Tertium comparationis ist der Gegensatz, nämlich die – ethnisch, religiös, sprachlich – "reinen" Kulturen: "Nationalkulturen" im Sinn des späten 18. und des 19. Jahrhunderts, und auch jene Kulturen, die mit den dominierenden Kolonialmächten zusammenfallen. Für die im globalen Sinne "postkoloniale" Entwicklung des 20. Jahrhunderts war es daher ganz bezeichnend, dass diese fehlende "Reinheit" zunächst als Makel empfunden und verbal verdrängt oder praktisch zu tilgen versucht wurde. Erst seit den traumatisierenden Erfahrungen der Jahrhundertmitte ist ein Umdenkprozess im Gange, der zu einer Neubewertung der kulturellen "Unreinheit" geführt hat. Im mitteleuropääischen Kontext steht dieser freilich stets zugleich unter "Nostalgieverdacht", während er im lateinamerikanischen Bereich sich wesentlich ungestörter entfalten konnte, ja zeitweise sogar als politisch "fortschrittlich" eingestuft wurde.

Der Beitrag ist dem Band Habsburg postcolonial (hg. v. Johannes Feichtinger, Ursula Prutsch u. Moritz Csáky) entnommen.

The comparison of Latin America and Austria-Hungary might seem to be hazardous, yet, it can be productive in spite of the cultural contrasts of both regions. The tertium comparationis is the contradistinction, namely the – ethnic, religious, linguistic – "pure" cultures: "national cultures" in the sense of the late 18th and the 19th century and of the dominant colonial cultures. For the global "postcolonial" development in the 20th century it was thus characteristic that the lack of "purity" was perceived as deficiency which had to be linguistically and practically be eliminated. Only since the mid of the 20th century a process of re-evaluation of cultural "hybridity" takes place. For Central Europe this process always raises the suspect of "nostalgia", while in Latin America it was often regarded as being politically "progressive".

The article stems from the anthology Habsburg postcolonial (ed. by Johannes Feichtinger, Ursula Prutsch and Moritz Csáky).

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