Galizien als geographisches Integrationsproblem. Fremdverortungen und mentale Kartierungen des habsburgischen Kronlandes in der deutschen und österreichischen Geografie
AutorenBurkhard Wöller, Wien
Der Bedeutungsgewinn naturräumlicher Argumente für die Legitimierung von Nations- und Staatsprojekten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte zur Folge, dass sich das an der mentalen Grenze zu Osteuropa gelegene und geophysisch andersartig gestaltete österreichische Kronland Galizien als geografisches Integrationsproblem innerhalb des Habsburgerreiches herausstellte.
In diesem Beitrag wird untersucht, wie sich die geografische Fremdwahrnehmung Galiziens in deutschen und österreichischen geografischen Darstellungen des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkrieges entwickelte, und mit welchen diskursiven Strategien die Geografen Galizien in ihre Raumentwürfe integrierten. Es wird dafür zunächst der Frage nachgegangen, welche geograpfische Bedeutung dem Kronland für die territoriale Einheit und die geopolitische Stellung des Habsburgerreiches beigemessen wurde, und anschließend analysiert, wie Galizien in den geografischen Grenzziehungs- und Kartierungsdiskursen verortet und in Raumkonzepten von Ost- und Mitteleuropa positioniert wurde.
During the second half of the 19th century, geographical factors gained significace as arguments in legitimating nations and states. The Austrian crownland Galicia, being situated at the periphery of the Habsburg Empire, or more precisely, on the mental border between Central and Eastern Europe, and differing from the rest of the monarchy by geophysical terms, turned out to be a geographical threat to the integrity of the state territory.
This paper adresses the question of how German and Austrian geographers managed to deal with Galicia as a geographical problem in their scientific works in the course of the 19th century up to the end of World War I. The study analyzes the discursive strategies used by the authors to integrate Galicia into their spatial constructs, to localize the region on different mental maps of Central and Eastern Europe, and to point out its geopolitical significance for the Habsburg Empire.
