Überlegungen zur Leipziger Völkerverständigung

posted by Elena Messner on 2008/08/24 22:53

[ Europa | Europe ]

Der "Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung" wird seit 1994 verliehen. Mit ihm werden, so der Text der offiziellen Homepage, "Persönlichkeiten gewürdigt, die sich in Buchform um das gegenseitige Verständnis in Europa, vor allem mit den Ländern Mittel- und Osteuropas, verdient gemacht haben." In den auf dieser Homepge öffentlich gemachten Statuten heißt es unter  I. "Der Preis wird jedes Jahr an eine Persönlichkeit verliehen, die sich in Buchform um das gegenseitige Verständnis in Europa verdient gemacht hat."

Ohne diesem Preis und seiner Funktion für den Literaturbetrieb bzw. für ein regeres Interesse an und eine differenziertere wie auch intensivere Wahrnehmung der  "mittel- und osteuropäischer" Literaturen absprechen zu wollen, stellten sich mir bei Durchsicht der PreisträgerInnen plötzlich unterschiedliche Fragen.

Neben der Frage, weshalb nur drei der bisher 15 HauptpreisträgerInnen Frauen sind, stellte ich plötzlich auch "national" orientierte Überlegungen nach der Herkunft der AutorInnen an. Zunächst also eine kleine Privatstatistik (vgl. dazu die Listung auf der Homepage): jeweils zwei Preisträger stammen aus Ungarn, Polen, der Ukraine, während andere Länder jeweils nur noch eine(n) PreisträgerIn vorweisen können. Gleich vier jedoch könnte man als "postjugoslawische" AutorInnen schubladisieren.

Wieso dominieren AutorInnen aus jenem Teil des ehemaligen Jugoslawiens, der heute  die Statten Bosnien, Kroatien und Serbien bildet? Dies interessiert v.a. deshalb weil aus den anderen (und anderssprachigen) Gebieten Jugoslawiens (Makedonien, Kosovo/a, Slowenien) keine (Haupt-)Preisträger zu finden sind. Das wiederum deckt sich mit der Übersetzungsproduktion von ehemals "jugoslawischer" Literatur ins Deutsche: bosnische, krotische und serbische Literatur dominiert auch hier, während sich eine makedonische oder kosovarische kaum durchsetzen konnte - was wohl gleich als eine mögliche Antwort auf die aufgeworfene Frage dienen kann. Überflüssig zu erwähnen, dass drei der vier AutorInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien im Zuge der Jugoslawienkriege seit 1991 ins deutschsprachige Exil gegangen waren.

Was sagt diese Preis-Statistik außerdem über die Wahrnehmung von "Ost- und Mitteleuropa" aus? Überspitzt ließe sich die Frage fauch so ormulieren: Geht ein dermaßen überproportionaler Beitrag zur (mittel- und ost-)europäischen Verständigung tatsächlich von der sog. b/k/s Literatur aus? Und zählen zu Mittel- und Osteuropa außer ex-Jugosalwien nur noch Ungarn, Polen und die Ukraine?

Dafür fiel mir aber die sehr harmonisch wirkende Regelmäßigkeit unter den letzten drei seit dem "Zerfall" Jugoslawiens ausgezeichneten AutorInnen auf: Dževad Karahasan stammt aus Bosnien, Slavenka Drakulić aus Kroatien und Bora Ćosić lebt zwar in Rovinj (Kroatien) stammt aber aus Serbien. Soviel beabsichtigte politische Korrektheit will ich der Jury aber doch nicht unterstellen.

Dass Preisvergaben nach ganz eigenen Regeln funktionieren, ist bekannt, die Rolle von Marketing, Netzwerken, Übersetzungs- und Verlagspolitik, etc. auch.

Amüsiert hat mich diese Listung dennoch.


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