Ein beinahe mythisch vergrößerter kroatischer Wendetag wird in der Studie der Zagreber Germanistin Milka Car Der 24. November 1860 im kroatischen Theater. Die 'Vertreibung' der deutschen Schauspieler [.pdf] als Teil der digitalen Anthologie Diskurszeit - Wendejahre in/für Südost- und Mittelosteuropa diskutiert.

Der direkte politische Gebrauch der Institution des Nationaltheaters wurde bereits in der kakanischen Reihe Emergenzen in Éva Tökeis Studie Nationaltheater und Aktualpolitik an internationalen Beispielen exemplifiziert. Die in Cars Studie zusammengetragenen pressehistorischen Dokumente konturieren Tökeis Befunde, die vor dem Hintergrund der leidenschaftlich geführten Debatten nach der Errichtung des neuen ungarischen Nationaltheaters deutliche Unterschiede zwischen dem west- und osteuropäischen Theaterverständnis zu Tage fördern, gerade in Hinblick auf die Macht retrospektiver Zuschreibungen, die von der fabulierenden Konstruktion bis zur Kanonisierung des Ereignisses reichen: "In diesen Äußerungen fungiert das Theater als ein Medium der kulturellen Selbstauslegung, als eine kulturelle Darstellungsform, die zusammen mit anderen Symbolisierungen und Praktiken die Aufgabe hat, ein nationales Bedeutungsgefüge zu knüpfen. Dem Theater wurde auf diese Weise die Rolle eines nationalen Katalysators zugedacht."
Rückblickend kollidieren in diesem einen Ereignis jene ideologischen, kulturpolitischen Tendenzen, die auch vergleichbare Urszenen der mittelosteuropäischen Nationalbewegungen auszeichnen, in Cars Interpretation jedoch mit dem zusätzlichen Spezifikum, dass sich die nachträgliche Stilisierung des Tages verselbstständigt hatte, indem die von Wien anfangs tolerierte weil die magyarische Hegemonie ausgleichende nationale Bestrebung eine viel zu markante kollektive Note erhielt. Gerade diese allmähliche Wende nach dem retrospektiven Wendetag wird in Milka Cars Studie mit zahlreichen Pressestimmen belegt, die sich zu einem lebhaften kultursoziologischen Tableau zusammenfügen.