Ideologische Verstrickungen

posted by Elena Messner on 2008/01/11 13:47

[ Neues auf Kakanien ]

Noch vor der Publikation auf Kakanien Revisited, zeigte der Text von Dunja Melčić mit dem Titel: "Literatur und Ideologie. Über ein missglücktes literarisches Porträt von Ratko Mladič und eine undifferenzierte Preisvergabe." seine polarisierende Wirkung, siehe dazu eine nur in Ansätzen im Weblog der Redaktion begonnene Diskussion.

Diese wurde während der Bearbeitung und dem Lektorat am Text intern intensiviert und weitergeführt: Dem Text wurde zwar einhellig eine interessante, politische Perspektive zugebilligt, nicht einig aber waren sich Teile der Redaktion über die Qualität der Ergebnisse bzw. die methodische Herangehensweise der Autorin: von "tendenziös" bis zu "provokant" wurde diese bezeichnet, es gefiel die "Radikalität ihrer Kritik", die "Rückhaltlosigkeit in den Schlussfolgerungen", man stieß sich andererseits an ihrer Argumentation, die ein Gratwanderung zwischen dem Kritisierten und der Rhetorik der eigenen Kritik bedeutet. Polemik und Provokation sind dem Text ganz im Sinne der Autorin und ihrer Intention zu attestieren. Ob der Aufsatz nun mit dieser Polemik selbst ideologischer Vereinnahmung aufsitzt, oder sein kritisches Potenzial aus ebendieser und einer sehr klar herausgearbeiteten, kompromisslosen Perspektive bezieht, sei dem Leser und Interpreten überlassen.


Antworten

01 by ush at 2008/01/13 15:16 Bitte registrieren und/oder loggen Sie ein, um zu antworten

Ich meine, dass Dunja Melčić gewissermaßen mit in eine in/durch ihren Text selbst verantwortete Falle oder besser: Zwickmühle gerät: Wo beginnt die Poetik/Fiktion und wo endet die Realität (als erlebte und verbürgte Wirklichkeit, nicht nur als erlebte, sondern auch medial vermittelt)?

Abseits der tatsächlich etwas schrägen Wahl, einen Literaturpreis für "Völkerverständigung" einer Autorin zu verliehen, die auf verschlungenen Wegen die Menschlichkeit eines Kriegsverbrechers zu begründen sucht, bleibt dennoch immer wieder befragungswürdig, wie und wo eine Trennlinie zwischen den beiden Bereichen innerhalb der Literatur gezogen werden kann und soll.

Die Titelwahl von Literatur und Ideologie unterstellt von Beginn der Autorin eine ideologisch gesteuerte Stellungnahme zu einer durch die Literatur behelfsmäßig verbrämten, ver-stellten Wirklichkeit. Ob das so ist, kann ich zumindest nicht entscheiden.

Was mir aber zwar verständlich und durchaus zugänglich ist, wiewohl eben hinterfragungswürdig, ist die Methode, Fiktion und Wirklichkeit beständig gegeneinander auszutauschen, wobei außer Frage steht, dass Letztere einen uneinholbaren Vorrang genießt. Nur so verliert das literarische Porträt des Verbrechers an Wirklichkeit, die nicht jener einer Reportage oder einer biografischen "Echtzeit"-(Nach)Erzählung besitzt.

Ich teile voll und ganz das komplett unliterarische Urteil, dass es wenig geschmackvoll ist, einen Kriegsverbrecher der Gegenwart zum Helden eines Romans zu machen. Obwohl außer diesem moralisch - ? - begründeten Vor-Urteil wirklich nichts dagegen spricht. Ich teile nach Lektüre und Bearbeitung des Essays auch das unausgesprochene Urteil, dass es literarisch, also fiktional, nicht besonders überzeugend und stilistisch glänzend geschehen ist. Aber Abstand nehme ich davon, dass eine fiktionale Welt sich nicht von der oben näherungsweise umrissenen Realität entfernen dürfe.

Literatur hat nach meinem Verständnis durchaus ihre eigene 'Moral' zu entwerfen, warum auch nicht eine gebrochene.

Die Autorin des Essays ist jedoch durchweg klar in ihrer Anschauung und Urteilsfindung. Deshalb schätze ich diesen Essay als genau das, was er ist: eine klare, entschiedene und in sich begründete Stellungnahme zu einem Skandalon, das sich der Literaturmarkt und die Vermarktung von Literaturen (in der nicht unglaubwürdigen Unterstellung, es würden Nationalliteraturen ungleich gemessen) geleistet haben.

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