Titel

Kakanien revisited. Über das Verhältnis von Herrschaft und Kultur

Autoren

Wolfgang Müller-Funk,  Birmingham

Der Text diskutiert vor dem Hintergrund des kulturwissenschaftlichen Paradigmenwechsel die verschlungenen Beziehungen zwischen Herrschaft, ethnischer Differenzierung, und den symbolischen Formen am Beispiel eines interkulturellen politischen Gebildes wie der Habsburger Monarchie. Das Herrschaftskonzept bei Hegel und Marx, aber auch in zahlreichen soziologischen Schulen läuft nicht selten darauf hinaus, in den kulturellen Markierungen von Differenz eine bloße Funktion oder einen Überbau zu sehen. Nun kann aber gezeigt werden, dass in Kultur selbst schon Herrschaft eingeschrieben ist. Differenzen zu setzen, bedeutet, beinahe wie von selbst in einen Prozess einzutreten, in dem es um Wertung und Vorrang geht; er überkreuzt sich eigentümlich mit der Phänomenologie von Macht und Herrschaft.

Im zweiten Teil diskutiert der Autor am Beispiel von literarischen Texten (Doderer, Broch, Winder), wie Fremd- und Selbstbilder miteinander korrelieren und Herrschaftsverhältnisse konstituieren; das klassische "Herr-Knecht-Verhältnis" als Relation zwischen Deutschösterreichern und Tschechen (Winder), der "Reiz der Rückständigkeit" Bosniens (Doderer), die "sinnliche fremde Frau" (Broch). In allen drei Fällen wird durch die Konstruktion des/der Fremden ein Selbst geschaffen, das superior ist und das - solange die kulturell codierten Herrschaftsverhältnisse intakt bleiben - auch von beiden Seiten nicht in Frage gestellt wird. Die Überkreuzung von ethnischer und sexueller Differenz macht signifikant, dass kulturelle Prozesse maßgeblich bei der Erzeugung von Herrschaft wirksam sind.

The essay discusses some consequences of the cultural turn ('Kulturwissenschaften') in regard to the intercultural Habsburg monarchy. It analyzes the complicated relations between power, ethnic differentiation and symbolic forms. In contrast to traditional concepts (Hegel, Marx mainstream sociology), in which culture has more or less been seen as a mere function or 'superstructure' ('Überbau') of the political and economical base, the article shows, how power is constructed by culture and vice versa. Marking and producing symbolic differences always means to enter a process of evaluation and ranking, a process which crosses the 'traditional' phenomenology of power.

The author discusses some exemplary masterpieces of Austrian Literature (Broch, Doderer, Winder), which demonstrate the various connections between cultural symbolism and power. The relation between master and servant as a relationship between the German Austrians and the Czechs (Winder), the fascination of pre-civilized world: Bosnia (Doderer), the sexual aura of the exotic Slavic woman (Broch). In all three cases the construction of the cultural is linked with the construction of a superior self. The cross-over between sexual and ethnic differentiation shows, how cultural processes are central for the construction of power and rulership.

pdf of article > Download Article
(PDF, 209 KB)
acrobat reader > Download Acrobat Reader
(Externes Download-Link)
CSS is validValid XHTML 1.0 TransitionalLevel Double-A conformance icon,
          W3C-WAI Web Content Accessibility Guidelines 1.0