Eine einfache Erklärung für komplizierte Probleme? Vor zehn Jahren erschien Samuel Huntingtons A Clash of Civilizations
AutorenPeter Stachel, Wien
Der Titel des 1996 erschienenen Buches The Clash of Civilizations des US-amerikanischen Politologen Samuel Huntington ist zu einem Schlagwort geworden, das vielfach als "Erklärung" der weltpolitischen Lage betrachtet wird. Diesem Anspruch einer einfachen Erklärung komplizierter Probleme halten Huntingtons Ausführungen bei kritischer Analyse nicht stand: Seine Definitionen der "Kulturkreise" sind methodisch beliebig, sie beruhen auf einen extrem reduktionistischen Verständnis von "Kultur" (Kultur = Religion) und der Autor hält sich im Zuge seiner Ausführungen auch nicht an seine eigenen Definitionen. Darüber hinaus ist Huntingtons Modell gegen jede Form empirischer Kritik immunisiert, da sein prognostischer Gehalt so vage ist, dass jede mögliche künftige Entwicklung irgendwie damit in Übereinstimmung gebracht werden kann. Betrachtet man die prinzipielle Möglichkeit einer empirischen Hinterfragung als substanzielles Merkmal wissenschaftlicher Argumentationen, so muss Huntingtons Konzept als nicht-wissenschaftlich, sondern ideologisch beurteilt werden.
The title of Samuel Huntington's book The Clash of Civilizations, published in 1996, has become a catchy slogan, that seems to be an explanation of present global politics. This claim does not sustain critical analysis: Huntington's definitions of "Civilizations" are methodical arbitrary, they are based on an extreme reduced understanding of civilization (civilization = religion) and Huntington himself does not always use the terms according to his own definitions. Moreover, Huntington's model is immunized against any empirical critique, as its prognostic substance is that vague, that any possible future development somehow fits into it. If one defines the possibility of empirical proof (and falsification) as a crucial criteria of any scientific argumentation, Huntington's concept is not "scientific" but ideological.
