Titel

"Das Burgtheater hat überhaupt nichts zu tun als an seinen Traditionen festzuhalten..." Burgtheater und Tradition aus kulturwissenschaftlicher Sicht

Autoren

Elisabeth Großegger,  Wien

Dieser Beitrag skizziert drei Stadien des Verfalls - so wie sie Jonathan Swift in seinem Werk "A Tale of Tube" (1704) als Entwicklung der Menschheit festhält - am Beispiel des Burgtheaters von der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. Aus falscher Traditionsauffassung folgt das Burgtheater eben diesen drei Stadien des Verfalls.
Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde das Burgtheater, bis dahin nur als kaiserliches Hoftheater in Benützung, ein öffentliches Theater mit einer Bildungsmission im Geiste der europäischen Aufklärung. Joseph Schreyvogel und Heinrich Laube verhalfen dem Theater zu seiner herausragenden Bedeutung im europäischen Standard. Laube war der erste, der die Tradition des Burgtheaters als bestes deutschsprachiges Theater festhielt. Seitdem spielte die Tradition in der Selbstwahrnehmung seiner Künstler und seines Publikums eine große Rolle. Die Tradition bezog sich auf das Ensemble, auf die Bühnensprache und das Repertoire mit klassischen und modernen Werken. Laubes explizite Benennungen waren für ein starres Erhalten dieser Tradition ausschlaggebend. In der nächsten Phase, in den 1880er Jahren, wurde die Tradition infolge der Interpretation "vergewaltigt". Und schließlich um die Jahrhundertwende wurde sie zu einem vom Leben abgewandten Tabu. In dieser Phase ging das Potenzial des Burgtheaters als Orientierungshilfe für die Gesellschaft verloren.

Der Beitrag ist dem Band Das Gewebe der Kultur. Kulturwissenschaftliche Analysen zur Geschichte und Identität Österreichs in der Moderne. (hg. v. Johannes Feichtinger und Peter Stachel) entnommen.

This article typifies the three phases of decline, which Jonathan Swift records in "A Tale of Tube" (1704) as development of mankind, on the history of the Burgtheater from the first half of the 19th century to the years before World War I. Due to a mistaken perception of tradition the Burgtheater followed exactly those three phases of decline.
At the end of the 18th century the Burgtheater, Austria's former Imperial domestic theatre became a public theatre with an educational mission energized by the thoughts of the European enlightenment. Joseph Schreyvogel and Heinrich Laube established the theatre's outstanding importance in European standard. Laube was the first who explicitly recorded the tradition of the Burgtheater as the best German speaking theatre. Since then tradition loomed large in the self-conception of its artists and the audience. Tradition referred to the ensemble, the company, to the stage-language, and to the repertoire, including classical and modern dramas. Laube's exemplification redounded to the torpor of the tradition. In the next phase, in the 1880s, the tradition was violated because of interpretation. And finally at the turn of the century it became a taboo and was detached from life. In this phase the Burgtheater's potential of orientation for the society got lost.

This contribution is taken from the volume Das Gewebe der Kultur. Kulturwissenschaftliche Analysen zur Geschichte und Identität Österreichs in der Moderne. (hg. v. Johannes Feichtinger und Peter Stachel).

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